Interview mit MLKP-Rojava Vertreter Baran Serhad
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Im folgenden haben wir ein Interview mit Baran Serhad, einem Vertreter der MLKP, abgedruckt. Es handelt von Themen wie dem Ziel der Präsenz der MLKP in Rojava, ihrem programmatischen und strategischen Perspektiven bezüglich der Rojava-Revolution, ihrer Position innerhalb der militärischen Front in Rojava, den Beiträgen der MLKP innerhalb des Frauenbefreiungskampfes und der politischen und organisatorischen Arbeit der MLKP innerhalb der Revolution.

Könntest du noch einmal knapp für uns zusammenfassen, wie die MLKP hinsichtlich ihres programmatischen und strategischen Verständnisses die Rojava-Revolution sieht und was die Ziele ihrer Beteiligung an der Revolution sind?

Kurz zusammengefasst kann ich sagen, dass die MLKP vom Beginn ihrer Gründung an eine Partei ist, die die Revolution von Bakur (den Norden) in Kurdistan umfasst und ihr einen entscheidenden Stellenwert in der eigenen Strategie beimisst. Sie ist eine Partei, die feststellt, dass das Land Kurdistan von imperialistischen und regionalen reaktionären Staaten kolonialisiert worden ist; durch die Verteidigung ihrer rechtmäßigen Sache und Forderungen kämpft sie für die Realisierung dieser Revolution. Aus dieser Perspektive ist die MLKP eine Partei Kurdistans. Folglich ist der Befreiungskampf unseres kurdischen Volkes basiered auf „dem Recht zur Selbstbestimmung und zur Gründung eines eigenen Staates" eine der Prioritäten der MLKP. Auf unserem dritten Parteitag, der im Frühling 2002 in der politischen Atmosphäre dieser Periode abgehalten wurde, hat unsere Partei die Rechtmäßigkeit des Befreiungskampfes, der in den vier Teilen des kolonialisierten Kurdistan stattfindet, erneut unterstrichen. Dementsprechend hat unsere Partei „das Recht zur Vereinigung der Teile Kurdistans" in ihrem Programm ergänzt. Auf demselben Parteitag wurde außerdem „das Verständnis der Erschaffung demokratischer oder sozialistischer Föderationen des Balkan, des Kaukasus und der Völker des Mittleren Ostens" im Programm festgehalten. Die Partei hat die Notwendigkeit regionaler Revolutionen herausgestellt und die Notwendigkeit regionaler Allianzen, Koordinationen oder Kräftevereinigungen dazu.

Dies ist eine wichtige Beschluss, da es eine Erweiterung des Horizonts und der Möglichkeiten der Revolution aufzeigt. Vor diesem Hintergrund, haben wir begonnen unsere Betrachtungsweise zahlreicher Gebiete angefangen vom Balkan bis hin zum Kaukasus und dem Mittleren Osten zu verändern, versucht, andere Beziehungen mit den dortigen Kämpfen und Möglichkeiten aufzubauen. Unser vierter Parteitag hat den Willen der Partei, sich für diese Perspektiven praktisch einzusetzen, gefestigt, und hat zahlreiche verschiedene Schritte in dieser Richtung hervorgebracht.

Als die Rojava-Revolution ausgebrochen ist, ist es unserer Partei gelungen, sich schnell anzupassen. Dies wurde ihr durch ihren Charakter als kurdische Kraft mit gleichzeitiger Perspektive der regionalen Revolutionen ermöglicht. Unsere ersten Kräfte erreichten das Gebiet im August 2012 nur wenige Tage nach dem 19. Juli, dem Datum, welcher als Beginn der Rojava-Revolution verzeichnet worden ist. Das war kein Zufall, sondern spiegelt unsere Verpflichtung gegenüber dieser Region, insbesondere gegenüber Kurdistan, wieder. Es spiegelt wieder, dass jede Fragestellung, jede Aufgabe, jedes Problem dieser Region gleichzeitig die Agenda unserer Partei ist.

Was sind eurer Ansicht nach besondere Beiträge, die eure Partei in die Rojava-Revolution eingebracht hat? In anderen Worten: Für welche Probleme in der Entwicklung der Revolution hat die MLKP Lösungen gefunden und sich somit das Recht verdient, in Rojava zu existieren?

Unsere Partei hat sich das Recht, in Rojava zu existieren, natürlich dadurch verdient, dass sie sich der Revolution angeschlossen hat, sie verteidigt hat und dafür gekämpft hat, ihren Sieg zu sichern und dafür Märtyrer gegeben hat. Sie hat sich dieses Recht nicht verdient, indem sie aus der Entfernung gejubelt oder in einer unterstützenden Position gestanden hat, sondern, wenn auch in begrenzter Zahl, durch die Teilnahme mit ihren Militanten in den Reihen des Kampfes. Unsere sehr wertvollen Genoss*innen sind bei der Verteidigung und Entwicklung der Fronten der Revolution verletzt worden oder unsterblich geworden. Mit einer Reihe von Unsterblichen, die mit Serkan Tosun begann und mit Sevda Cagdas (Raperîn Dîcle) länger wurde; mit Genosse Coskun Ince (Tekoser Kurdistan) und Sinan Sagir (Suphî Garzan), deren Körper wir immer noch nicht gefunden haben, mit der Flagge, die diese gehisst, und dem Blut, das sie verloren haben, und mit unseren verwundeten Genoss*innen, deren Zahl drei mal so groß ist, wie die Zahl der bisherigen Unsterblichen, haben wir unser Existenzrecht verdient. Was uns hier zugehörig macht, sind die Unsterblichen, deren Blut sich miteinander vermischt hat, und die Kampfgenossenschaft unserer Kämpfer, die Tag und Nacht an den Fronten von Serêkaniyê, Kobanê, Til Temir, Alya, Siluk, Manbidsch und Rakka gekämpft haben. Damit einhergehend möchte ich gerne voller Respekt, Verbundenheit und mit dem Versprechen, dass wir ihre Träume wahr werden lassen, unseren gefallenen Genoss*innen gedenken. Sie werden weiterhin unser Kampfschwur sein und uns dabei den Weg weisen.

Bezüglich dem anderen Aspekt eurer Frage, kann ich feststellen: In den frühen Tagen der Revolution haben wir unsere Kräfte durch die Idee hier her geleitet, dass „jeder lange Marsch mit einem einzelnen Schritt beginnt". Innerhalb dieses Prozesses hat sich nach diesem ersten Schritt ein gewisses qualitatives und quantitatives Niveau entwickelt. Als unsere Kräfte das Gebiet erreicht hatten, hatte die Revolution bereits begonnen, befand sich aber immer noch in einem sehr frühen Stadium. Es gab weder die YPG/YPJ noch die Asayis (die Volkssicherheitrkräfte Rojavas). Schulter an Schulter mit der kurdischen Befreiungsbewegung, die die Revolution führte, wurde diese Arbeit mit einer starker Genossenschaftlichkeit und abgesehen von wenigen begrenzten Bereichen auf klandestiner Grundlage ausgeführt. Durch das schnelle Ergreifen revolutionärer Verantwortung hatten unsere Kräfte versucht eine Rolle bei der Lösung von Problemen in ihren Verantwortungsbereichen zu spielen. Sie haben sich darum bemüht, die Töchter uns Söhne unserer Völker, die sich noch nicht mit der Revolution identifizierten, zu erreichen, damit sie sich ihr anschließen. Diese Neuzugänge sind später in den neu gegründeten Brigaden und anderen zivilen Institutionen organisiert worden. Gesellschaftliche Verpflichtungen in den Gebieten Gesundheit und öffentliche Sicherheit haben unsere militärische Arbeit begleitet. Und kurz darauf kamen der Frauenbefreiungskampf, die Presse und der Aufbau von Kommunen hinzu.

Unsere Anwesenheit hier hat sowohl die inneren Kräfte unserer Partei als auch andere revolutionäre Organisationen aus der Türkei dazu veranlasst, ihre Aufmerksamkeit auf Rojava zu lenken. Die Bemühungen und die aktuelle Anwesenheit unserer Partei haben dazu geführt, dass zahlreiche verschiedene Marxisten und fortschrittliche Kräfte auf der Welt begonnen haben, sich mehr mit der Rojava-Revolution zu befassen und sich für sie zu engagieren.

Es war ohne Zweifel der Kobanê-Widerstand, der die Rojava-Revolution ins Herz der ganzen Welt gepflanzt und sie in ein Leuchtfeuer der Solidarität und Hoffnung verwandelt hat. Genau, wie in dem Slogan „von Arîn bis Sibel marschieren wir zum Sieg!", den unsere Genoss*innen voller Stolz rufen, wurden die barbarischen IS-Banden dank der Unsterblichen und dank massenhaften Heldenmuts besiegt. Kobanê marschierte bereits dem eigenen Sieg entgegen, als einige imperialistische Staaten militärische Hilfe leisteten, um ein Stück vom Sieg abzubekommen. Trotz
all seiner Gebete, mit denen er wer weiß wie oft am Tag beschäftigt ist, wurden die verschwörerischen Angriffe des Faschisten Tayyip Erdoğan abgewehrt und Kobanê ist nicht gefallen. Sein hysterischer Traum: „ es [Kobanê] ist im Begriff zu fallen!", ist nicht wahr geworden. Dieser Sieg war wie eine Erklärung an die Welt sowohl über das Niveau der Motivation der Völker in Kurdistan als auch über den ideologischen Sieg der Ehre und des Freiheitskampfes erfüllt von der Macht der Solidarität. IS und der Türkische Staat, insbesondere Erdoğans AKP , wurden einhergehend mit den anderen regionalen reaktionären Staaten, die ihn unterstützt haben, besiegt. Das ist auch der Begriff für den Prozess in dem der IS angefangen hat, sich zurückzuziehen.
Was ich meine ist: Die Anwesenheit unserer Partei, die Verteidigung der Revolution, die Bemühung ihrer Weiterentwicklung und Erweiterung haben auch einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit Rojava‘s geleistet. Das hat geholfen, die Aufmerksamkeit werktätiger linker und internationalistischer Menschen auf Rojava zu ziehen. Aber um ehrlich zu sein, weil Rojava wie eine grüne Oase in Mitten des Reiches der Öl-Dollar-Brutalität, inmitten eines politischen Ödlandes steht, hatte die Revolution sich natürlich auch bereits von selbst sichtbar hervorgetan. Wir sprechen hier von dem Leuchten der YPG/YPJ gegen die Dunkelheit des IS. Wir würden sagen, unser Anteil ist ein bescheidener Beitrag. Er bringt die lächelnden Gesichter von Sibel und Sevda neben das von Arin, oder diejenigen von Sinan und Mazlum Seite an Seite mit Diyar Bagok‘s. Dieser Beitrag ist ein wertvoller, historischer und einer der wichtigsten Werte, die uns zu dem machen, was wir sind.

An dieser Stelle würde ich gerne Sehid Ivana erwähnen, unsere Avasin, da sie zu einem der Symbole geworden, die die Revolution weltweit bekannt gemacht haben. Sie hat einen sehr bedeutenden Beitrag zur Revolution geleistet, indem sie die Aufmerksamkeit von Jeder*m erregt hat, insbesondere die Aufmerksamkeit von internationalen Genoss*innen aber auch die Aufmerksamkeit der Mainstream-Medien, und damit die Revolution in der Weltpresse hat sichtbar werden lassen. Als eine Guerilla voller Nächstenliebe hat sie viele Sozialisten und fortschrittliche Menschen aus Europa und der ganzen Welt angestoßen, zu kommen und ein Teil der Revolution zu werden. Wiederrum in dem selben Zeitabschnitt haben wir unsere Beziehungen mit vielen europäischen fortschrittlichen Organisationen entwickelt, wie etwa aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Griechenland, aus Spanien, usw. und sie haben eine Rolle in ihren Ländern dabei gespielt, die Freunde unserer Genoss*innen und unserer Revolution zu sein. Als letztes Wort zu diesem Thema kann ich noch hinzufügen: Auf Grund des Fakts, dass die Revolution einen beträchtlichen Sieg in Rojava errungen hat, haben unsere Kräfte abgesehen von dem Feld der Verteidigung auch ihre Konzentration auf die soziale Organisierung gestärkt. Auf dieser Grundlage haben wir dabei unterstützt und dafür gearbeitet, dass die Kampagnen "Ez Naçim" („Ich werde nicht gehen!") und "Komünlerde Örgütlen, Federasyona Sahip Çık" ("Organisier dich in Kommunen und beschütze die Föderation!") sich entwickeln und verbreiten. Ebenso führen wir eine ideologische und politische Arbeit gegen reaktionäre Kräfte wie die ENKS [eine Barzani's KDP nahestehende kurdische Organisation], die darauf abzielen, der Revolution von innen Schläge zu versetzen, indem wir unsere Völker aufklären und in den revolutionären Institutionen organisieren.

Wie werdet ihr kürzlich durchgeführte Operationen aus, in die eure Partei involviert war? An welchen Angriffen habt ihr mit welcher Perspektive teilgenommen? Was waren die Ziele dieser Angriffe bezüglich der Entwicklung der Rojava-Revolution? Nehmt ihr an allen Angriffen teil oder habt ihr bestimmte Prioritäten?

In der Anfangszeit der Revolution haben unsere Kräfte verschiedenen Bataillonen und Quartieren angehört, in denen sie sowohl an Angriffsaktionen als auch an den Gründungsprozessen der Revolution teilgenommen haben. In diesem Sinne waren wir bei den Angriffen und Operationen von Til Hemis, Cez'a, Serekani, Til Koçer, Girê Ziro, Tirbespiyê, Hasekê, Til Temir, Amûdê, Ebu Rasin und Mebruka dabei. Ebenso waren wir ein Teil des ersten unterstützenden Einsatzkommandos, das Şengal erreicht hat, unmittelbar nachdem der IS dort einmarschiert war und ein Massaker verübt hatte. Später haben wir die Gründung unseres ersten Şehit Serkan Bataillons ausgerufen, benannt nach unserem ersten unsterblichen Genossen in Rojava, Serkan Tosun. Seit dem haben wir an Angriffsaktionen als Teil dieses Bataillons teilgenommen. Kurz nach dem Şehit Serkan Bataillon haben wir das Internationale Freiheitsbataillon (IFB) unter Beteiligung von Organisationen aus der Türkei und Europa wie etwa die TKP -ML, BÖG, und MLSPB-DC aus der Türkei, RC* aus Spanien, und Revolutionären aus Griechenland gegründet. Direkt nach seiner Gründung hat das IFB an dem Angriff von Siluk-Girê Sipî teilgenommen. Dort ist unser Genosse Halil Aksakal (Mazlum Aktaş) unsterblich geworden. Bei diesem Angriff sind unsere Front-Genossen von der BÖG und der MLSPB-DC gefallen und haben sich unseren Unsterblichen angeschlossen. Ich möchte ihnen hier im Namen der Genossin Cemre und den Genossen Alper und Doğan voller Respekt gedenken.

Als Şehid Serkan Bataillon und als IFB haben wir an beinahe allen Operationen in den Kantonen Cizîrê und Kobanê teilgenommen. Das IFB ist sowieso ein an der Front stationiertes mobiles Bataillon - abgesehen von wenigen kurzen Zeiträumen ist es immer an der Front. Das Şehid Serkan Bataillon hingegen nimmt an Aktionen nicht als ganzes Bataillon sondern entweder in Form von Staffeln oder Einsatztrupps teil. Alles was die Rojava-Revolution betrifft, betrifft auch uns. Daher waren und sind wir bei den Angriffen von Hol, von Manbidsch oder bei den Angriffen von Raqqa dabei. Unsere Perspektive sieht so aus: Mit unserer 'Kurdistanischen' und kommunistischen Identität betrachten wir die Rojava Revolution als unsere Revolution. Aus diesem Grund hat jeder Angriff unsere Aufmerksamkeit - mit dem Ziel die Revolution mit unserem Leben zu schützen, zu sichern und zu festigen. In diesem Sinne haben wir uns der Operation um Manbidsch angeschlossen, wo wir unsere Genossin Raperîn in die Unsterblichkeit entsandt haben, für den Schutz und für die Sicherung der Revolution durch die Vereinigung der Kantone. In diesem Angriff wurden 4 unserer Genoss*innen verwundet und 2 von ihnen schwer. Aber durch die Befreiung von Manbidsch haben wir ein Gebiet gewonnen, das eine Stellung von strategischer Bedeutung ist.

Wenn wir heute über den Einmarsch des faschistischen türkischen Staates in Cerablus sprechen, ist der zentrale Grund dahinter äußerst offensichtlich: Es geht darum den Weg unserer Revolution, auf dem sie von Manbidsch nach Efrîn fortschreitet, zu blockieren; es geht darum den Fortschritt unserer Revolution zu stoppen. Sie wollen nicht, dass wir unsere Kantone vereinigen und damit der Teilung von Rojava ein Ende setzen, das durch die Kolonialpolitik im Namen des Arabischen Gürtels zersplittert worden ist. Den Preis von dutzenden Soldatenleben in Kauf nehmen haben sie damit anscheinend vorerst Erfolg gehabt - aber nur vorläufig. Tayyip Erdoğan hat bereits angefangen sich darauf vorzubereiten, nach Al Bab zu fliehen. Von Cerablus bis Bab befindet sich der türkische Staat in einer festgefahrenen Situation und das ist der Ausgangspunkt für neue Entwicklungen. Auf Grund unserer Perspektive Regionaler Revolutionen tragen wir auch unseren Teil zu der Befreiung von Raqqa bei, das der IS eingenommen und in sein Hauptquartier verwandelt hat. Das ist arabisches Land und ja, es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die die Rojava-Revolution gemeinsam mit den arabischen Arbeitern zu erfüllen hat, um ein demokratisches und freieres Leben in Syrien aufzubauen. Als ein Teil der Revolution orientieren wir unser Vorgehen daran.

Wir können sagen, während die Angriffsaktionen weiterhin die Revolution schützen, ausdehnen und ihr Niveau entwickeln und verbessern, werden andererseits die Regionen sowohl im militärischen als auch ideologischen Sinne stärker. Diese Aktionen sind außerdem auch eine Möglichkeit, äußerst bedeutsame Erfahrungen zu sammeln und Front-Genossenschaften zu entwickeln.

In diesen Gebieten, in denen historische Vorurteile weiterhin existieren, entwickeln die Menschen ein Gefühl der Geschwisterlichkeit und das Bewusstsein über ein gemeinsames Zusammenleben beispielsweise als Kurdische, Arabische und Suriyanische Völker entwickelt. So helfen sie dabei, den Dreck und Rost des Kolonialismus, des Feudalismus und des Kapitalismus weg zu säubern. Darüber hinaus zeigen die Frauenkämpferinnen und Kommandantinnen der YPJ in diesem patriarchalen Land des Mittleren Ostens eine neue Willenskraft, die Stück für Stück die tief verwurzelten Ideen zerstört, welche behaupten, dass Krieg, Tapferkeit, Waffen usw. etwas seien, dass nur Männern zugeordnet werden könne. Sie bringen auf der ideologischen Ebene frischen Wind in die Lungen dieser Länder und mit dem Wind, der diese Frauen begleitet, wird der Dreck und die dunkle Atmosphäre dieses Zeitabschnittes der Geschichte hinweggefegt. Das ist eine neue und sehr kostbare Situation für die arabischen Länder.

(* TKP-ML: Kommunistische Partei der Marxisten-Leninisten der Türkei, BÖG: Vereinigte Freiheitskräfte, MLSPB-DC: Marxistisch-Leninistische Bewaffnete Propaganda Einheiten - Revolutionäre Front, RC: Revolutionärer Aufbau)

Auch wenn eure militärische Präsenz sichtbarer ist, können wir sehen, dass ihr auch politische Arbeiten und Kampagnen unter den Massen in Rojava durchführt. Welche Ziele verfolgt ihr in eurer politischen Massenarbeit? Und zusätzlich dazu: Was sind eure organisatorischen Perspektiven in Rojava-Kurdistan als Kommunisten aus Kurdistan.

Unsere Partei hat eine Rojava-Organisation. Das ist eine Struktur, die daraus folgt, dass wir eine Kurdistan-Partei sind. Sie ist direkt an unsere MLKP/Kurdistan Organisation gebunden, organisiert und strukturiert sich aber in Rojava. Unserer Parteilinie zufolge ist es unser Recht und gleichzeitig unsere Pflicht, uns innerhalb aller vier Teile unseres Kurdistans zu organisieren, das von Imperialisten und Kolonialisten zersplittert worden ist, und die Befreiungskämpfe in diesen Teilen mit einer sozialistisch-patriotischen Perspektive zu unterstützen und zu fördern. Als eine Errungenschaft im Lichte der Entwicklungen in Rojava hat unser fünfter Kongress eine Reihe von Beschlüssen bezüglich der Vergrößerung unserer Organisation in Kurdistan getroffen. Mit Blick auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten, die es mit sich bringt, dass in Rojava eine Revolution stattfindet, hat der Kongress einige politische und organisatorische Pflichten festgelegt.

Auch wenn der Großteil unserer Arbeit hier aus der Verteidigung besteht, organisieren wir uns politisch sowohl innerhalb der revolutionären Institutionen als auch innerhalb der Massen. Eines unserer primären Ziele ist die Verteidigung der Revolution, die Vertiefung des revolutionären Prozesses und die Steigerung des revolutionären Bewusstseins der Massen hier. Es ist wahr, was sich in Rojava ereignet ist wirklich eine Revolution, aber diese ist nicht in jedem Sinne vollendet. Rojava ist umringt von Imperialisten sowie von regionalen rektionären Staaten, von Parteien und Organisationen der opportunistischen Linie und der Bourgeosie der KDP. Die Völker Rojavas sollen durch Krieg, Bombenexplosionen, Embargo und Armut eingeschüchtert und erdrückt werden. Die Notwendigkeit, die Menschen dazu zu bewegen, sich die Revolution zu eigen zu machen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl mit dieser Revolution zu stärken, ist bestimmend für die Pflichten unserer Partei.

Manchmal wird das nicht gut genug verstanden aber Rojava steht unter einer absoluten Umzingelung. Eine Seite wird vom türkischen Staat umzingelt - mit Mauern, Stacheldraht, Soldaten und Panzern. Die andere Seite wird von IS und dem anderen Kollaborateur der Türkei, den Barzani-Kräften, umzingelt - letztere versuchen uns zu „disziplinieren", indem sie uns Hunger und Armut ausliefern, indem sie das einzige Tor durch die Grenze zum Irak, Sêmelka, schließen. Abgesehen von Efrîn ist keine Grenz-Beziehungen mit dem Syrischen Regime übrig. Bis jetzt ist es dem Regime nicht gelungen die Revolution aufzuhalten, allerdings können wir davon ausgehen, dass sie als unsere historischen Kolonialherren mit ihrer durch den arabischen Nationalismus geformten Mentalität versuchen werden, die Revolution, die sie durch verschiedenste Angriffe und Intrigen nicht verhindern konnten, bei der ersten Gelegenheit, die sich ihnen bietet, zu erwürgen.

Unter den Bedingungen einer solchen Umzingelung ist es entscheidend für die Revolution, die Menschen politisch und ideologisch zu gewinnen. Daher sind die eben genannten Kampagnen "Ez Naçim", also die 'Ich gehe nicht'-Kampagne und "Di Komînan de xwe Rêxistin Bike, Ji Fîderasyonê Xwedî Derkeve" ("Organisier dich in Kommunen, umarme und beschütze die Föderation!") wichtig für uns und werden von uns unterstützt. Damit stellen wir uns gegen die „Reise in die Hoffnung", wie eine Fluchtpolitik nach Europa mit durch und durch ideologischen Zielen benannt wird. Wir nehmen ideologisch Haltung dagegen ein und erklären statt dessen, dass die Hoffnung in Rojava ist. Außerdem entlarven wir die imperialistischen Lügen zusammen mit unseren Freunden, die aus Europa kamen, um sich der Revolution anzuschließen. Wir können voller Aufrichtigkeit sagen, dass die Sozialistisch-Patriotische Haltung eine charakteristische Eigenschaft unserer Partei ist. Das heißt, wir sehen uns als kommunistische Komponente in der Revolution, als Avantgarde des sozialistischen Kampfes. Wir versuchen unseren national-demokratischen Befreiungskampf mit einer sozialistische Perspektive zu verbinden. Unserer Ansicht nach ist es notwendig die Rojava-Revolution mit den Sozialismus zu vollenden und wir agitieren und propagieren diesen Gedanken, während wir die gegenwärtige Revolution verteidigen. Denn wir denken, dass durch den Sozialismus die gesamte Region befreit werden kann. In jedem Bereich, in dem wir unseren Kampf ausüben, versuchen wir die Grundlagen dafür zu schaffen, dass diese Perspektive zur Realität werden wird. Der Sozialismus oder sozialistischer Patriotismus ist von seinem Charakter her keine selbstverständliche Sache. Man muss an der Seite der Unterdrückten, Werktätigen, der Arbeiter*innen, der Frauen und Armen mit einer Perspektive des patriotischen Sozialismus stehen. Es bedarf den Aufbau von Bündnissen, welche diese Perspektive realisieren und man muss die grundlegenden Kräfte der Revolution mit dieser Herangehensweise bilden, das Bewusstsein dahingehend stärken und organisieren. Das ist es was wir mit aller Kraft versuchen.

Die Organisierung und Art Politik zu machen hier ist nicht so wie in der Türkei, oder gar Nordkurdistan. Deshalb müssen die hiesigen Normen sich von den anderen unterscheiden. Hier in Rojava können wir über sehr eigene Aspekte sprechen. Zu aller erst organisieren wir uns innerhalb der Revolution; da wir ein Teil von ihr sind, versuchen wir die Bewegung auf der Seite des Sozialismus voranzubringen. Vor allem muss diese Revolution gesichert werden, was bedeutet, dass all die Bedrohungen, die ich gerade erwähnt habe, beseitigt werden müssen. Durch Schimpfen von Außerhalb, vom Rande, oder noch realistischer um es auf den Punkt zu bringen, von Computer-Bildschirmen aus, von der hohen Bühne aus kann das nicht gelingen. Das gelingt nur durch ein wirkliche Beteiligung an der Revolution, durch das Vergießen von Blut und Schweiz dafür. Das ist der einzige Weg, wie Worte und Verbundenheit gesehen werden und unseren Völkern gegenüber Gewicht haben kann. Dahinter, dass unsere Partei eine respektable Kraft innerhalb dieses Landes ist, stehen unsere Bemühungen, genau diesen Einsatz zu zeigen und diese Verpflichtung zu leben.

Es ist bekannt, dass ihr eurer zweites Bataillon in Rojava aufgestellt habt. Was ist die Mission des Şehit Sarya Bataillons?

Das Şehit Sarya Bataillon, was eigentlich bereits früher bestanden hat aber erst am 12. Dezember, dem Tag an dem unsere Genossin Sibel Bulut (Sarya Özgür) unsterblich geworden ist, öffentlich bekannt gemacht worden ist, ist ein Ausbildungsstellung für neue Kämpferinnen. In diesem Bataillon befinden sich neue Kämpferinnen, die sowohl von außerhalb als auch aus verschiedenen Teilen Rojavas kommen, um militärisch und ideologisch ausgebildet zu werden. Mit diesem Bataillon zielen wir auch darauf ab, ein Mittel zur Verfügung zu stellen, mit dem junge kurdische, arabische und assyrische Frauen aus Rojava sich der Revolution anschließen und sie verteidigen können. Innerhalb des YPG-Systems aber eigenständig organisiert, hat dieses Bataillon bisher Jugendliche, internationalistische Kämpfer und auch zu unserem Parteiumfeld zählende junge Frauen aus Rojava, die allesamt die Revolution verteidigen wollen und sich militärisch und ideologisch entwickeln wollten ausgebildet. Nun wollen wir diese Arbeit mit einer erhöhten Teilnehmerzahl - aus lokalen Gebieten sowie im allgemeinen - weiter führen.

Was ist mit dem Internationalen Freiheitsbataillon? Was erwartet ihr von diesem in der Zukunft?

Das Internationale Freiheitsbataillon ist ein Teil dieser Revolution, der Anfang 2017 drei mal von den IS-Banden angegriffen wurde, aber genau wie es in ihrem Slogan heißt, der in großen Buchstaben an den Mauern der in ihre Stellung umgewandelten Schule geschrieben wurde: „NO PASARAN", konnten diese Banden nicht durchbrechen. Ich habe die Bestandteile der Gründung dieses Bataillons bereits zuvor erwähnt; genau jetzt gerade besteht dieses Bataillon aus der BÖG, TIKKO und MLKP zusammen mit internationalen Kämpfern aus verschiedenen Ländern. Mit seiner revolutionären Praxis, die es bei mehreren Angriffen gezeigt hat, mit den Märtyrern und verwundeten Genoss*innen, hat das Bataillon in diesem Gebiet Respekt gewonnen. Während eines Angriffes am 9. Januar hat das Bataillon den IS-Banden einen heftigen Schlag verpasst. Nach einem Kampf wurden in dem selben Gebäude sechzehn Leichen der Banden gezählt. Genosse Doğan Kırefe von der BÖG wurde zum Märtyrer und zwei unserer Partei-Kämpfer wurden verwundet. Die Banden sind schwerer als je zuvor in diesem Gebiet geschlagen worden und folglich versuchen sie nun ihre Kräfte mit neuen Hinterhalten wieder zu beleben. Aber wir rufen weiterhin „no pasaran"!

Wir wollen, dass das IFB ein Fenster der Rojava-Revolution zur gesamten Welt wird. Ein solches Bataillon, das Frauen und Männer aus zahlreichen Nationen in der ganzen Welt umfasst, wird definitiv eine eindrucksvolle, deutliche Nachricht an die Völker der Welt senden. Bis jetzt hat die Beteiligung an dem Bataillon bezüglich ihrer Quantität unsere Erwartungen nicht erfüllt. Zumindest in diesem Aspekt muss ich leider sagen, dass die linken und sozialistischen Bewegungen stark hinter die IS-Banden zurückgefallen sind. Dabei handelt es sich hier um eine Revolution, die darauf abzielt, ein auf Gleichheit und Freiheit basierendes Verhältnis zwischen den Völkern zu schaffen, ohne in engstirnigem Nationalismus stecken zu bleiben, und trotz der Tatsache, dass sie obendrein geradezu sinnbildlich das Licht gegen die reaktionäre Barbarei repräsentiert, das unter dem Namen IS verkörpert ist.

Der Fakt, dass die USA, Frankreich oder sonst welche anderen imperialistischen Kräfte gezwungen wurden, ihren eigenen Interessen zuliebe militärische Operationen gegen den IS zu beginnen, auch wenn der IS ein Abgesandter ihres NATO-Alliierten, dem Türkischen Staat, ist, lässt diese Eigenschaften der Revolution in keinster Weise erlöschen.
Ob wir die USA oder andere Koalitionspartner haben oder nicht - Manbidsch wäre so oder so irgendwann erobert worden und nach Raqqa wäre man so oder so irgendwann marschiert, denn der IS ist die größte Bedrohung Rojavas. Wir haben nicht tausende unserer Märtyrer verloren und verwundeten Genoss*innen während eines Krieges gegen die Syrische Regierung oder mit anderen regionalen reaktionären Staaten. Es geht darum, den IS zu bekämpfen, also ja, es hängt nicht von den Jets oder Drohnen der Imperialisten ab, die sie für ihre eigenen Interessen einsetzen, ob Gegenschläge durchgeführt werden. Wir sehen dies als eine notwendige und lediglich vorübergehende taktische militärische Beziehung an, während wir gleichzeitig wissen und uns darauf vorbereiten, dass diese Jets eines Tages kommen könnten, um auch uns anzugreifen.

Es ist verständlich, dass manche unserer Freunde, die in Wort und Tat an der Seite der Revolution stehen, einige Sorgen bezüglich der Absichten der Imperialisten haben. Ja, wir reden hier über Imperialisten und, in der Tat, sie ‚helfen‘ nicht aufgrund ihrer Sympathie für Kurden oder Arabern. Sie haben ihre eigenen Interessen, die gerade bloß zufällig für eine kurze Zeit mit denen der Kurden zusammenfallen. Die Imperialisten haben sowohl ideologische als auch politische Probleme mit der bestehenden Führung der Revolution und dem Willen, der sie leitet; und diese sind nicht die Art von Problemen, die man durch eine Ansammlung taktischer militärischer Bündnisse oder Fliegerbomber-Einsätze ausräumen kann. Die Revolution schwächen, sie wirtschaftlich und technisch von den Imperialisten abhängig machen, sie dazu bringen, ihrer Linie zu folgen - das ist es, worauf sie abzielen. Dazu kann ich sagen: Würde diese Revolution durch eine Barzani-Perspektive geleitet, dann wäre Rojava bereits international anerkannt. Wir denken, das im Licht dieser Wahrheit gesprochen werden muss und die Verantwortung für das Gesagte getragen werden muss. Das ist es, was von fortschrittlichen und revolutionären Kräften erwartet wird.

Und übrigens, bis jetzt habe ich noch von keinem „linken" Jet oder keiner Rakte gehört, die davon abgehalten worden sind, den IS anzugreifen. Niemand sollte auch nur den geringsten Zweifel daran haben, dass wir niemals irgendjemanden davon abhalten würden, den IS und seinen Anhänger, sowie den türkischen Staat, anzugreifen; sei es mit Kugeln oder Raketen oder vergessen wir das, selbst mit Steinen. Es gibt keine*n, der*die Menschen im Weg stehen wird, die gewillt sind, sich einzusetzen, zu kämpfen, die anti-imperialistische Flagge zu heben; weder hier noch an irgend einem anderen Ort auf der Welt!

Für uns sind Internationalist*innen, die aus individueller Initiative hier her kommen, um etwas für die Revolution zu tun, tausend Mal schöner als Großmäuler, die gewichtig prahlen. Bei dieser Gelegenheit würde ich gerne all die internationalen Krieger*innen grüßen, die die Revolution und den aktuellen Prozess in der richtigen Art und Weise bewertet haben und sich Rojava zugewandt haben, hergekommen sind und gekämpft haben, zu Märtyrern geworden, verwundet oder festgenommen worden sind, und ihnen gedenken und sie grüßen.

In welchem Ausmaß beteiligt ihr euch an der Leitung des wirtschaftlichen und politischen Lebens in den Versammlungen oder anderen Arten politischer Strukturen? Was ist die Aufgabe, die ihr euch in diesen Bereichen gestellt habt? Welche Probleme habt ihr gelöst oder bemüht ihr euch zu lösen?

In Rojava ist das wirtschaftliche und politische Leben organisiert. Das Kanton besteht aus autonomen Verwaltungen, verschiedene Organisationen, etabliert in jedem Lebensbereich; von Tev-Dem, Kongra-Star, Räten, Kommunen, bis Berufsverbänden usw. Innerhalb all dieser Organisationen und parallel zu diesen gibt es gleichgestellte Frauenorganisationen. Wir können nicht behaupten, dass sie alle in optimaler Weise ihre Rolle spielen oder problemlos arbeiten würden aber es ist sicher gestellt, dass es viele verschiedene Organisationen gibt, durch die die Menschen und insbesondere die Frauen ihre Rechte verteidigen und sich in vielfältiger Weise ausdrücken können. Als Bestandteil und Kader der Revolution arbeiten wir dafür, auch wenn unsere Kräfte begrenzt sind, um diese Organisationen funktionstüchtig zu machen, dafür, dass sie ihre Rolle spielen und dass die Massen sie sich zu eigen machen.

Es gibt kommunistische Repräsentant innerhalb einiger Entscheidungen tragender Institutionen auf Kanton-Ebene sowie in Kanton-Räten und in den Einheiten, die Organisationsarbeit leisten. Ebenso diskutieren wir als Kommunisten in einer Vielzahl anderer Plattformen bei Bedarf unsere Ansichten und machen Vorschläge. Erneut muss ich sagen, dass es in der Quantität gering ist.

Wichtig ist, mit einer sozialistischen Perspektive Ansichten und Anregungen bezüglich des Prozesses einzubringen und den Massen zu unterbreiten. Das ist es, worum wir uns bemühen. Kommunistische Kader arbeiten in den Institutionen, setzen ihre Anregungen auf die Agenda der Institutionen, von denen sie ein Teil sind, und tragen diese Anregungen hinauf bis zur Entscheidungsebene. So werden einige Kampagnen und Veränderungsideen zum Thema und die Institutionen erhalten die Aufgabe, sich darum zu bemühen, dass diese von den Massen verinnerlicht werden. Die Kampagnen, die ich eben erwähnt habe, sind beispielsweise Kampagnen dieser Art. Während diese hauptsächlich von Kommunist*innen organisiert werden, werden sie auch von Parteien und Organisationen, die sich dort gesammelt haben, unterstützt und praktiziert. Die gemeinsame Verteilung von Flugblättern, Podiumsdiskussionen, Besuche von Institutionen, Massenversammlungen, Graffitie-Sprayen und Plakatieren, das alles wird kollektiv durchgeführt und wir versuchen dabei so viele Gruppen und Parteien wie möglich einzubeziehen. Treffen werden in den Kommunen abgehalten. Für die Tagesordnung schlagen wir Themen des alltäglichen Lebens, Themen der Arbeiter*innen und ebenso Themen der revolutionären Politik vor. Wir kämpfen gegen einige Fälle ideologischer Verwesung an, wir geben Anregungen zur Ausbreitung der Frauenrevolution. Zum Beispiel wurde kürzlich eine Kampagne mit dem Ziel, den Massen das System der Föderationen verständlich zu machen, auf der Ebene des kantonalen Entscheidungsinstitutionen übernommen und die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Kampagne wurde anerkannt. Also gibt es nun eine Kampagne zu diesem Thema in allen Kantonen. Während wir verschiedene Anregungen entwickelt haben, um die Unzufriedenheit zu vermindern, die auf Grund der Krise in Folge der Zucker- und Gasknappheit entstanden war, haben wir außerdem kontinuierlich Erklärungen zur Entlarvung der reaktionären ENKS und KDP verbreitet - diese haben eine Mitverantwortung für einige dieser Krisen. So konnten wir eine wichtige Rolle dabei spielen, eine grundsätzliche Entscheidung zur Organisierung von Massendemonstrationen zu erreichen. Während wir Diskussionen darüber führen, Bürokratisierung-Prozesse zu verhindern, setzen wir uns gleichzeitig für die Schaffung weiterer institutioneller Möglichkeiten ein, die eine Brücke zwischen den Völkern schlagen können - wenigstens soweit unsere aktuellen Kapazitäten es zulassen. Unsere sozialistische Perspektive auf die Themen, Fragen und Probleme ermöglicht es uns objektive, realistische Überlegungen bezüglich der Kräfte anzustellen, welche die Vorreiterrolle der Revolution spielen. Auch wenn wir in gewisser Weise verteidigen, die Position als „Gewissen der Revolution" zu haben, haben wir leider bisher noch nicht die angestrebte Qualität erreicht. Wir setzen uns weiterhin dafür ein.

Auch wenn es möglich ist, über zahlreiche Themen nachzudenken und zu diskutieren, so wie etwa die ökonomischen Probleme, die Bedürfnisse der Völker, die Rechte und Freiheiten der Frauen oder die Rechte der Kinder, die Rechte von Natur und Tieren usw., manche Themen werden innerhalb dieses politischen Klimas faktisch zu Luxusthemen. Unter Bedingungen in denen sowohl ein Krieg als auch ein Embargo weiter anhalten während gleichzeitig der IS und ihre Regierungsfreunde in der Türkei auf jede erdenkliche Art angreifen, um die Revolution zu ersticken, richten wir unsere Aufmerksamkeit in erster Linie auf die Sicherung und Weiterentwicklung der Revolution sowie unserer bisherigen Errungenschaften.

Hinsichtlich der Linderung der Folgen des Embargos ist es nicht notwendig, noch einmal die Fruchtbarkeit der Länder Rojavas zu betonen. Ebenso wie wir praktische Anregungen geben bemühen wir uns also auch in Diskussionen wie unserem Handeln um eine größere Zahl an Möglichkeiten, um das Streben nach Dingen wie beispielsweise einer Vergrößerung der landwirtschaftlichen Produktivität in einer kollektiven Art und Weise zu gestalten, um die Verpflichtung zur Aufklärung der Massen einzubringen, um die Revolution international bekannt zu machen und die internationale Solidarität zu verstärken, um gemeinsam ideologisch und juristisch gegen die Kriegsnutznießer zu kämpfen, und so weiter.

Wie entwickelt die Rojava-Revolution in ihrer Eigenschaft als „Frauenrevolution" den Befreiungskampf der Frauen in dieser Phase? Welche sozialen und politischen Perspektiven, welche Mittel und Methoden sind geeignet für einen Fortschritt der Frauenrevolution? Welche Rolle schreibt sich die KKÖ (Kommunistische Frauen Organisation) der Partei dabei zu?

Vor allem ist es in diesem patriarchal geprägten Mittleren Osten eine absolute Ehre für jede*n, Teil einer Revolution sein zu können, die Themen diskutiert wie eine Frauenarmee, den Frauenwillen, gleiche Repräsentation, ein System der Co-Vorsitzenden, eine Frauenpolizei, Frauenkommunen, Frauengerichte und hunderte gesetzliche Artikel, die sich auf die Seite der Frauen stellen. Das alleine reicht schon aus, um auszudrücken, was hier in Rojava für eine Revolution stattfindet! Der erste Bereich, der unserer Revolution sowohl einen demokratischen als auch einen freiheitlichen Charakter gibt, ist der Bereich der Frauenbefreiung! Ja, die Rojava Revolution ist eine Frauenrevolution, denn die Frauen als Hälfte der Gesellschaft, haben die grundlegenden Rechte und Freiheiten. Sie haben ihre eigenen Organisationen, Arbeiten, ihre eigene Politik und Asayiș, gesellschaftlichen Verteidigungskräfte und Armeen. Es ist wahr, dass es immer noch einige ernsthafte Probleme in praktischen Fragen gibt. Fünftausend Jahre andauernden Männerherrschaft haben die Kultur, das alltäglichen Leben und die Politik bestimmt; Frauen müssen immer noch an zahlreichen Fronten kämpfen und wachsam sein. Die vorhandenen Rechte und Freiheiten und wie die Frauen sie sich hier zu eigen machen sind dennoch nicht mit denen irgend eines anderen Landes zu vergleichen. Rojava ist in dieser Hinsicht ganz weit vorne. Die kapitalistisch-patriachalen Länder können natürlich kein Maßstab für uns sein. Der Maßstab kann nicht hinter die Errungenschaften und Ansichten des Frauenbefreiungskampfes und des Sozialismus zurückfallen. Selbstverständlich würden die Revolutionsmacherinnen, unter ihnen die kommunistischen Frauen, das auch nicht zulassen.

Die kommunistischen Frauen versuchen mit ihren begrenzten Kräften die Perspektiven unserer KKÖ unter den Frauen zu verbreiten. Unsere Genossinnen sind mit ihren Analysen und Vorschlägen zu Kampagnen und Plänen sowie bei der Organisierung einiger besonderer Tage wie dem 8. März oder dem 25. November sehr aktiv. Zuvor haben wir Verantwortung in Mala-Jin (Haus der Frauen - ein Ort nur für Frauen in jeder Nachbarschaft) übernommen, in Frauenstiftungen, wir haben eine eigene Frauenpresse gegründet und gerade arbeiten wir in Frauenkommunen und Dachorganisationen mit... Der Aufbau von Frauensolidarität hat uns gute Grundlagen dafür geschaffen, um unter jungen Frauen und Hauswerktätigen zu arbeiten. So können wir den Fortschritt der Frauenrevolution gemeinsam mit ihnen organisieren.

Ich kann sagen, dass die aktuelle Entwicklung dabei die Folgende ist: Der Gesellschaftsvertrag des Systems der Demokratischen Föderation Nordsyriens, der sehr wichtige Diskussionen umfasst, ist in bedeutendem Maße von der Stimme der Frauen geprägt. Sowohl während der Vorbereitungsphase als auch während der Verhandlungsphase waren es die Frauen, welche die aktivste Rolle gespielt haben. Die „Praxis der Co-Vorsitzenden" wurde zu einem Teil des Systems der Föderation gemacht. Ebenso wurden Gesetze zur Gleichstellung von Frauen durch die Föderation sicher gestellt. Diese bringen zum Ausdruck, dass die Errungenschaften der Rojava Frauenrevolution im gesamten föderativen System umgesetzt werden und sich in der Region verbreiten.

Unsere daraus resultierenden Verpflichtungen beinhalten es Vorschläge zu machen und dafür zu sorgen, dass sie von einer Massenbasis getragen werden - bezüglich Themen wie etwa der Erziehung der gesamten Gesellschaft, insbesondere der Männer, oder bezüglich Themen wie der Vertiefung des rechtlichen Niveaus der Revolutionserrungenschaften, die wir bisher erreicht haben, oder der Verbreitung von alldem in der ganzen Welt durch die Entwicklung der Frauenbündnisse sowohl regional als auch international.

In welchen Aspekten hat die Erfahrung der Rojava-Revolution das theoretische und politische Verständnis eurer Partei verbessert und bereichert? Welche Auswirkungen hat diese Erfahrung auf die Kommunist*innen in Kurdistan, in der Türkei sowie die internationalen Kämpfer*innen und Organisationen, die die Revolution unterstützen, gehabt und was hat diese Erfahrung diesen Kräften gebracht?

Also, ich bin nicht sicher, ob ich diese Fragen alle vollständig beantworten kann. Aber zuallererst möchte ich antworten, dass die Rojava-Revolution es uns ermöglicht hat, unseren revolutionären Horizont zu erweitern und konkrete Erfahrungen unmittelbar aus der eigenen Teilnahme inmitten einer aktuellen Revolution zu schöpfen. Wir haben alle Entwicklungen selbst mit erlebt, denen jedes Land begegnet ist, das eine Revolution erlebt hat; der Moment, wenn die Massen die Straßen füllen und die staatlichen Institutionen enteignet werden, die Situation einer Doppelherrschaft, Menschen, die sich bewaffnen, Frauen, die zur Hälfte der Revolution werden, Militarisierung, Belagerung, ein Embargo usw.... Und wir sind nun gewappnet mit diesen Erfahrungen in der bestimmten, besonderen Form von Rojava - Kurdistan.

Die Befreiung eines historisch kolonialiserten Landes in Rojava-Kurdistan durch das Ergreifen einer aufkommenden Möglichkeit, mit der Chance, den „Dritten Weg" zu wählen, und das alles unter Bedingungen, in denen es keine Massen von Arbeiter*innen, keine Bewegung der Arbeiter*innenklasse im klassischen Sinne aber statt dessen die Führung einer Guerilla gibt - das alles ist eine äußerst lehrreiche Erfahrung. Wenn wir bestimmte historische Entwicklungen auf die richtige Weise verstehen, wenn wir die richtigen Taktiken entwickeln, dann wird klar: Es ist möglich mit begrenzten Kräften einen großen Entwicklungssprung zu bewirken und eine solche Situation in eine Revolution umzuwandeln; es hängt alles ab von dem Bestehen vorbereiteter, organisierter Kräfte. Das ist eine der äußerst bedeutsamen Einsichten, die uns die Revolution gelehrt hat.

Auch eines der Hauptthemen der Strategie muss hervorgehoben werden: Das Phänomen der „indirekten Reserven", welche uns die Praxis in Rojava gelehrt hat. Das korrekte Ausnutzen der Regierungskrisen imperialistischer und anderer reaktionärer Staaten wird hier in Rojava zu einer sehr konkreten Notwendigkeit. Das Benutzen der Konflikte und Widersprüche unter den Herrschenden für die Ziele der Revolution hat uns nicht nur gezeigt, dass es möglich ist als revolutionäres Subjekt in Form von Entwicklungssprüngen zu wachsen, sondern auch, dass es möglich ist, Politik zu betreiben, ohne in dabei in der Position einer Reservekraft der Imperialisten zu sein. Durch das Profitieren von diesen Konflikten und Widersprüchen und durch taktische Manöver hat die Revolution an Stärke gewonnen und sich zugleich den Bedingungen der Belagerung zum Trotz zu einer eigenständigen Macht entwickelt.

Behauptungen über die Unvermeidbarkeit von religiösen und nationalen Kriegen, welche die imperialistische und kapitalistische Barbarei als „Kampf der Zivilisationen" theoretisiert, werden durch die Praxis der Föderation und der Kantone, die Einigkeit und Solidarität unter den Völkern Rojavas schaffen, beantwortet. Das, was hier in Rojava zu erstrebt wird, wo die Menschen in Räten organisiert, in Kommunen vereinigt werden und dadurch die Bedingungen direkter Demokratie durch Basisorganisationen geschaffen werden, setzt die Theorie in die Praxis um und macht sie in der Aktion lebendig.

Zum Abschluss: Welchen Aufruf bezüglich der Rojava-Revolution möchtet ihr an unsere Völker richten?

Rojava ist eine Revolution einer aufsteigenden Hoffnung gegen die aufgrund von Kolonialismus, Rassismus und sektiererischer Politik entstandenen Verzweiflung. Innerhalb all diesen erstickten Blutes und all dieser Grausamkeit ist Rojava ein Ort an dem unsere Völker ein wenig frische Luft atmen können. Es ist geprägt von Gleichheit und Freiheit. Auch wenn es noch weit davon entfernt ist, vollendet zu sein, hat das, was es bereits erreicht hat, längst seinen Platz in der Geschichte eingenommen.

Kommt und beteiligt euch an der Revolution. Kommt uns verteidigt die Revolution. Kommt und kämpft dafür, dass diese Revolution zu einer sozialistischen Stellung des 21. Jahrhunderts wird. Die Revolution gehört den Völkern. Sie gehört den Unterdrückten und, ja, mehr als alles andere gehört sie den Frauen. Tut etwas für sie. Gebt dieser Revolution politische, materielle und moralische Unterstützung!

Rojava ist ein wunderschöner Ort für all jene, die gewillt sind, von dem Rost und Dreck der imperialistischen, kapitalistischen Welt gereinigt zu werden. Es ist ein kleiner, bescheidener Frühling der Freude für die Menschheit.

Hier haben wir eine Revolution für all jene, die gewillt sind, sich von der Lohnsklaverei zu befreien, eine Revolution, die sie ihr Eigen nennen können. Egal wie sehr wir sagen, wie stolz wir auf sie sind, es wird nicht genug sein. Lasst uns das Interview beenden, indem wir sagen, kommt her und habt die Ehre, ein Teil der Revolution zu sein, oder besser noch, sagen wir die letzten Worte in unserer eigenen Sprache:
Bijî têkoşîna rûmet û azadîyê! Bijî Şoreşa Rojava! (Lang lebe der Kampf für Freiheit und Ehre! Lang lebe die Rojava-Revolution!)

 

 

 

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2016
Dezember

 

Interview mit MLKP-Rojava Vertreter Baran Serhad
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Im folgenden haben wir ein Interview mit Baran Serhad, einem Vertreter der MLKP, abgedruckt. Es handelt von Themen wie dem Ziel der Präsenz der MLKP in Rojava, ihrem programmatischen und strategischen Perspektiven bezüglich der Rojava-Revolution, ihrer Position innerhalb der militärischen Front in Rojava, den Beiträgen der MLKP innerhalb des Frauenbefreiungskampfes und der politischen und organisatorischen Arbeit der MLKP innerhalb der Revolution.

Könntest du noch einmal knapp für uns zusammenfassen, wie die MLKP hinsichtlich ihres programmatischen und strategischen Verständnisses die Rojava-Revolution sieht und was die Ziele ihrer Beteiligung an der Revolution sind?

Kurz zusammengefasst kann ich sagen, dass die MLKP vom Beginn ihrer Gründung an eine Partei ist, die die Revolution von Bakur (den Norden) in Kurdistan umfasst und ihr einen entscheidenden Stellenwert in der eigenen Strategie beimisst. Sie ist eine Partei, die feststellt, dass das Land Kurdistan von imperialistischen und regionalen reaktionären Staaten kolonialisiert worden ist; durch die Verteidigung ihrer rechtmäßigen Sache und Forderungen kämpft sie für die Realisierung dieser Revolution. Aus dieser Perspektive ist die MLKP eine Partei Kurdistans. Folglich ist der Befreiungskampf unseres kurdischen Volkes basiered auf „dem Recht zur Selbstbestimmung und zur Gründung eines eigenen Staates" eine der Prioritäten der MLKP. Auf unserem dritten Parteitag, der im Frühling 2002 in der politischen Atmosphäre dieser Periode abgehalten wurde, hat unsere Partei die Rechtmäßigkeit des Befreiungskampfes, der in den vier Teilen des kolonialisierten Kurdistan stattfindet, erneut unterstrichen. Dementsprechend hat unsere Partei „das Recht zur Vereinigung der Teile Kurdistans" in ihrem Programm ergänzt. Auf demselben Parteitag wurde außerdem „das Verständnis der Erschaffung demokratischer oder sozialistischer Föderationen des Balkan, des Kaukasus und der Völker des Mittleren Ostens" im Programm festgehalten. Die Partei hat die Notwendigkeit regionaler Revolutionen herausgestellt und die Notwendigkeit regionaler Allianzen, Koordinationen oder Kräftevereinigungen dazu.

Dies ist eine wichtige Beschluss, da es eine Erweiterung des Horizonts und der Möglichkeiten der Revolution aufzeigt. Vor diesem Hintergrund, haben wir begonnen unsere Betrachtungsweise zahlreicher Gebiete angefangen vom Balkan bis hin zum Kaukasus und dem Mittleren Osten zu verändern, versucht, andere Beziehungen mit den dortigen Kämpfen und Möglichkeiten aufzubauen. Unser vierter Parteitag hat den Willen der Partei, sich für diese Perspektiven praktisch einzusetzen, gefestigt, und hat zahlreiche verschiedene Schritte in dieser Richtung hervorgebracht.

Als die Rojava-Revolution ausgebrochen ist, ist es unserer Partei gelungen, sich schnell anzupassen. Dies wurde ihr durch ihren Charakter als kurdische Kraft mit gleichzeitiger Perspektive der regionalen Revolutionen ermöglicht. Unsere ersten Kräfte erreichten das Gebiet im August 2012 nur wenige Tage nach dem 19. Juli, dem Datum, welcher als Beginn der Rojava-Revolution verzeichnet worden ist. Das war kein Zufall, sondern spiegelt unsere Verpflichtung gegenüber dieser Region, insbesondere gegenüber Kurdistan, wieder. Es spiegelt wieder, dass jede Fragestellung, jede Aufgabe, jedes Problem dieser Region gleichzeitig die Agenda unserer Partei ist.

Was sind eurer Ansicht nach besondere Beiträge, die eure Partei in die Rojava-Revolution eingebracht hat? In anderen Worten: Für welche Probleme in der Entwicklung der Revolution hat die MLKP Lösungen gefunden und sich somit das Recht verdient, in Rojava zu existieren?

Unsere Partei hat sich das Recht, in Rojava zu existieren, natürlich dadurch verdient, dass sie sich der Revolution angeschlossen hat, sie verteidigt hat und dafür gekämpft hat, ihren Sieg zu sichern und dafür Märtyrer gegeben hat. Sie hat sich dieses Recht nicht verdient, indem sie aus der Entfernung gejubelt oder in einer unterstützenden Position gestanden hat, sondern, wenn auch in begrenzter Zahl, durch die Teilnahme mit ihren Militanten in den Reihen des Kampfes. Unsere sehr wertvollen Genoss*innen sind bei der Verteidigung und Entwicklung der Fronten der Revolution verletzt worden oder unsterblich geworden. Mit einer Reihe von Unsterblichen, die mit Serkan Tosun begann und mit Sevda Cagdas (Raperîn Dîcle) länger wurde; mit Genosse Coskun Ince (Tekoser Kurdistan) und Sinan Sagir (Suphî Garzan), deren Körper wir immer noch nicht gefunden haben, mit der Flagge, die diese gehisst, und dem Blut, das sie verloren haben, und mit unseren verwundeten Genoss*innen, deren Zahl drei mal so groß ist, wie die Zahl der bisherigen Unsterblichen, haben wir unser Existenzrecht verdient. Was uns hier zugehörig macht, sind die Unsterblichen, deren Blut sich miteinander vermischt hat, und die Kampfgenossenschaft unserer Kämpfer, die Tag und Nacht an den Fronten von Serêkaniyê, Kobanê, Til Temir, Alya, Siluk, Manbidsch und Rakka gekämpft haben. Damit einhergehend möchte ich gerne voller Respekt, Verbundenheit und mit dem Versprechen, dass wir ihre Träume wahr werden lassen, unseren gefallenen Genoss*innen gedenken. Sie werden weiterhin unser Kampfschwur sein und uns dabei den Weg weisen.

Bezüglich dem anderen Aspekt eurer Frage, kann ich feststellen: In den frühen Tagen der Revolution haben wir unsere Kräfte durch die Idee hier her geleitet, dass „jeder lange Marsch mit einem einzelnen Schritt beginnt". Innerhalb dieses Prozesses hat sich nach diesem ersten Schritt ein gewisses qualitatives und quantitatives Niveau entwickelt. Als unsere Kräfte das Gebiet erreicht hatten, hatte die Revolution bereits begonnen, befand sich aber immer noch in einem sehr frühen Stadium. Es gab weder die YPG/YPJ noch die Asayis (die Volkssicherheitrkräfte Rojavas). Schulter an Schulter mit der kurdischen Befreiungsbewegung, die die Revolution führte, wurde diese Arbeit mit einer starker Genossenschaftlichkeit und abgesehen von wenigen begrenzten Bereichen auf klandestiner Grundlage ausgeführt. Durch das schnelle Ergreifen revolutionärer Verantwortung hatten unsere Kräfte versucht eine Rolle bei der Lösung von Problemen in ihren Verantwortungsbereichen zu spielen. Sie haben sich darum bemüht, die Töchter uns Söhne unserer Völker, die sich noch nicht mit der Revolution identifizierten, zu erreichen, damit sie sich ihr anschließen. Diese Neuzugänge sind später in den neu gegründeten Brigaden und anderen zivilen Institutionen organisiert worden. Gesellschaftliche Verpflichtungen in den Gebieten Gesundheit und öffentliche Sicherheit haben unsere militärische Arbeit begleitet. Und kurz darauf kamen der Frauenbefreiungskampf, die Presse und der Aufbau von Kommunen hinzu.

Unsere Anwesenheit hier hat sowohl die inneren Kräfte unserer Partei als auch andere revolutionäre Organisationen aus der Türkei dazu veranlasst, ihre Aufmerksamkeit auf Rojava zu lenken. Die Bemühungen und die aktuelle Anwesenheit unserer Partei haben dazu geführt, dass zahlreiche verschiedene Marxisten und fortschrittliche Kräfte auf der Welt begonnen haben, sich mehr mit der Rojava-Revolution zu befassen und sich für sie zu engagieren.

Es war ohne Zweifel der Kobanê-Widerstand, der die Rojava-Revolution ins Herz der ganzen Welt gepflanzt und sie in ein Leuchtfeuer der Solidarität und Hoffnung verwandelt hat. Genau, wie in dem Slogan „von Arîn bis Sibel marschieren wir zum Sieg!", den unsere Genoss*innen voller Stolz rufen, wurden die barbarischen IS-Banden dank der Unsterblichen und dank massenhaften Heldenmuts besiegt. Kobanê marschierte bereits dem eigenen Sieg entgegen, als einige imperialistische Staaten militärische Hilfe leisteten, um ein Stück vom Sieg abzubekommen. Trotz
all seiner Gebete, mit denen er wer weiß wie oft am Tag beschäftigt ist, wurden die verschwörerischen Angriffe des Faschisten Tayyip Erdoğan abgewehrt und Kobanê ist nicht gefallen. Sein hysterischer Traum: „ es [Kobanê] ist im Begriff zu fallen!", ist nicht wahr geworden. Dieser Sieg war wie eine Erklärung an die Welt sowohl über das Niveau der Motivation der Völker in Kurdistan als auch über den ideologischen Sieg der Ehre und des Freiheitskampfes erfüllt von der Macht der Solidarität. IS und der Türkische Staat, insbesondere Erdoğans AKP , wurden einhergehend mit den anderen regionalen reaktionären Staaten, die ihn unterstützt haben, besiegt. Das ist auch der Begriff für den Prozess in dem der IS angefangen hat, sich zurückzuziehen.
Was ich meine ist: Die Anwesenheit unserer Partei, die Verteidigung der Revolution, die Bemühung ihrer Weiterentwicklung und Erweiterung haben auch einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit Rojava‘s geleistet. Das hat geholfen, die Aufmerksamkeit werktätiger linker und internationalistischer Menschen auf Rojava zu ziehen. Aber um ehrlich zu sein, weil Rojava wie eine grüne Oase in Mitten des Reiches der Öl-Dollar-Brutalität, inmitten eines politischen Ödlandes steht, hatte die Revolution sich natürlich auch bereits von selbst sichtbar hervorgetan. Wir sprechen hier von dem Leuchten der YPG/YPJ gegen die Dunkelheit des IS. Wir würden sagen, unser Anteil ist ein bescheidener Beitrag. Er bringt die lächelnden Gesichter von Sibel und Sevda neben das von Arin, oder diejenigen von Sinan und Mazlum Seite an Seite mit Diyar Bagok‘s. Dieser Beitrag ist ein wertvoller, historischer und einer der wichtigsten Werte, die uns zu dem machen, was wir sind.

An dieser Stelle würde ich gerne Sehid Ivana erwähnen, unsere Avasin, da sie zu einem der Symbole geworden, die die Revolution weltweit bekannt gemacht haben. Sie hat einen sehr bedeutenden Beitrag zur Revolution geleistet, indem sie die Aufmerksamkeit von Jeder*m erregt hat, insbesondere die Aufmerksamkeit von internationalen Genoss*innen aber auch die Aufmerksamkeit der Mainstream-Medien, und damit die Revolution in der Weltpresse hat sichtbar werden lassen. Als eine Guerilla voller Nächstenliebe hat sie viele Sozialisten und fortschrittliche Menschen aus Europa und der ganzen Welt angestoßen, zu kommen und ein Teil der Revolution zu werden. Wiederrum in dem selben Zeitabschnitt haben wir unsere Beziehungen mit vielen europäischen fortschrittlichen Organisationen entwickelt, wie etwa aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Griechenland, aus Spanien, usw. und sie haben eine Rolle in ihren Ländern dabei gespielt, die Freunde unserer Genoss*innen und unserer Revolution zu sein. Als letztes Wort zu diesem Thema kann ich noch hinzufügen: Auf Grund des Fakts, dass die Revolution einen beträchtlichen Sieg in Rojava errungen hat, haben unsere Kräfte abgesehen von dem Feld der Verteidigung auch ihre Konzentration auf die soziale Organisierung gestärkt. Auf dieser Grundlage haben wir dabei unterstützt und dafür gearbeitet, dass die Kampagnen "Ez Naçim" („Ich werde nicht gehen!") und "Komünlerde Örgütlen, Federasyona Sahip Çık" ("Organisier dich in Kommunen und beschütze die Föderation!") sich entwickeln und verbreiten. Ebenso führen wir eine ideologische und politische Arbeit gegen reaktionäre Kräfte wie die ENKS [eine Barzani's KDP nahestehende kurdische Organisation], die darauf abzielen, der Revolution von innen Schläge zu versetzen, indem wir unsere Völker aufklären und in den revolutionären Institutionen organisieren.

Wie werdet ihr kürzlich durchgeführte Operationen aus, in die eure Partei involviert war? An welchen Angriffen habt ihr mit welcher Perspektive teilgenommen? Was waren die Ziele dieser Angriffe bezüglich der Entwicklung der Rojava-Revolution? Nehmt ihr an allen Angriffen teil oder habt ihr bestimmte Prioritäten?

In der Anfangszeit der Revolution haben unsere Kräfte verschiedenen Bataillonen und Quartieren angehört, in denen sie sowohl an Angriffsaktionen als auch an den Gründungsprozessen der Revolution teilgenommen haben. In diesem Sinne waren wir bei den Angriffen und Operationen von Til Hemis, Cez'a, Serekani, Til Koçer, Girê Ziro, Tirbespiyê, Hasekê, Til Temir, Amûdê, Ebu Rasin und Mebruka dabei. Ebenso waren wir ein Teil des ersten unterstützenden Einsatzkommandos, das Şengal erreicht hat, unmittelbar nachdem der IS dort einmarschiert war und ein Massaker verübt hatte. Später haben wir die Gründung unseres ersten Şehit Serkan Bataillons ausgerufen, benannt nach unserem ersten unsterblichen Genossen in Rojava, Serkan Tosun. Seit dem haben wir an Angriffsaktionen als Teil dieses Bataillons teilgenommen. Kurz nach dem Şehit Serkan Bataillon haben wir das Internationale Freiheitsbataillon (IFB) unter Beteiligung von Organisationen aus der Türkei und Europa wie etwa die TKP -ML, BÖG, und MLSPB-DC aus der Türkei, RC* aus Spanien, und Revolutionären aus Griechenland gegründet. Direkt nach seiner Gründung hat das IFB an dem Angriff von Siluk-Girê Sipî teilgenommen. Dort ist unser Genosse Halil Aksakal (Mazlum Aktaş) unsterblich geworden. Bei diesem Angriff sind unsere Front-Genossen von der BÖG und der MLSPB-DC gefallen und haben sich unseren Unsterblichen angeschlossen. Ich möchte ihnen hier im Namen der Genossin Cemre und den Genossen Alper und Doğan voller Respekt gedenken.

Als Şehid Serkan Bataillon und als IFB haben wir an beinahe allen Operationen in den Kantonen Cizîrê und Kobanê teilgenommen. Das IFB ist sowieso ein an der Front stationiertes mobiles Bataillon - abgesehen von wenigen kurzen Zeiträumen ist es immer an der Front. Das Şehid Serkan Bataillon hingegen nimmt an Aktionen nicht als ganzes Bataillon sondern entweder in Form von Staffeln oder Einsatztrupps teil. Alles was die Rojava-Revolution betrifft, betrifft auch uns. Daher waren und sind wir bei den Angriffen von Hol, von Manbidsch oder bei den Angriffen von Raqqa dabei. Unsere Perspektive sieht so aus: Mit unserer 'Kurdistanischen' und kommunistischen Identität betrachten wir die Rojava Revolution als unsere Revolution. Aus diesem Grund hat jeder Angriff unsere Aufmerksamkeit - mit dem Ziel die Revolution mit unserem Leben zu schützen, zu sichern und zu festigen. In diesem Sinne haben wir uns der Operation um Manbidsch angeschlossen, wo wir unsere Genossin Raperîn in die Unsterblichkeit entsandt haben, für den Schutz und für die Sicherung der Revolution durch die Vereinigung der Kantone. In diesem Angriff wurden 4 unserer Genoss*innen verwundet und 2 von ihnen schwer. Aber durch die Befreiung von Manbidsch haben wir ein Gebiet gewonnen, das eine Stellung von strategischer Bedeutung ist.

Wenn wir heute über den Einmarsch des faschistischen türkischen Staates in Cerablus sprechen, ist der zentrale Grund dahinter äußerst offensichtlich: Es geht darum den Weg unserer Revolution, auf dem sie von Manbidsch nach Efrîn fortschreitet, zu blockieren; es geht darum den Fortschritt unserer Revolution zu stoppen. Sie wollen nicht, dass wir unsere Kantone vereinigen und damit der Teilung von Rojava ein Ende setzen, das durch die Kolonialpolitik im Namen des Arabischen Gürtels zersplittert worden ist. Den Preis von dutzenden Soldatenleben in Kauf nehmen haben sie damit anscheinend vorerst Erfolg gehabt - aber nur vorläufig. Tayyip Erdoğan hat bereits angefangen sich darauf vorzubereiten, nach Al Bab zu fliehen. Von Cerablus bis Bab befindet sich der türkische Staat in einer festgefahrenen Situation und das ist der Ausgangspunkt für neue Entwicklungen. Auf Grund unserer Perspektive Regionaler Revolutionen tragen wir auch unseren Teil zu der Befreiung von Raqqa bei, das der IS eingenommen und in sein Hauptquartier verwandelt hat. Das ist arabisches Land und ja, es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die die Rojava-Revolution gemeinsam mit den arabischen Arbeitern zu erfüllen hat, um ein demokratisches und freieres Leben in Syrien aufzubauen. Als ein Teil der Revolution orientieren wir unser Vorgehen daran.

Wir können sagen, während die Angriffsaktionen weiterhin die Revolution schützen, ausdehnen und ihr Niveau entwickeln und verbessern, werden andererseits die Regionen sowohl im militärischen als auch ideologischen Sinne stärker. Diese Aktionen sind außerdem auch eine Möglichkeit, äußerst bedeutsame Erfahrungen zu sammeln und Front-Genossenschaften zu entwickeln.

In diesen Gebieten, in denen historische Vorurteile weiterhin existieren, entwickeln die Menschen ein Gefühl der Geschwisterlichkeit und das Bewusstsein über ein gemeinsames Zusammenleben beispielsweise als Kurdische, Arabische und Suriyanische Völker entwickelt. So helfen sie dabei, den Dreck und Rost des Kolonialismus, des Feudalismus und des Kapitalismus weg zu säubern. Darüber hinaus zeigen die Frauenkämpferinnen und Kommandantinnen der YPJ in diesem patriarchalen Land des Mittleren Ostens eine neue Willenskraft, die Stück für Stück die tief verwurzelten Ideen zerstört, welche behaupten, dass Krieg, Tapferkeit, Waffen usw. etwas seien, dass nur Männern zugeordnet werden könne. Sie bringen auf der ideologischen Ebene frischen Wind in die Lungen dieser Länder und mit dem Wind, der diese Frauen begleitet, wird der Dreck und die dunkle Atmosphäre dieses Zeitabschnittes der Geschichte hinweggefegt. Das ist eine neue und sehr kostbare Situation für die arabischen Länder.

(* TKP-ML: Kommunistische Partei der Marxisten-Leninisten der Türkei, BÖG: Vereinigte Freiheitskräfte, MLSPB-DC: Marxistisch-Leninistische Bewaffnete Propaganda Einheiten - Revolutionäre Front, RC: Revolutionärer Aufbau)

Auch wenn eure militärische Präsenz sichtbarer ist, können wir sehen, dass ihr auch politische Arbeiten und Kampagnen unter den Massen in Rojava durchführt. Welche Ziele verfolgt ihr in eurer politischen Massenarbeit? Und zusätzlich dazu: Was sind eure organisatorischen Perspektiven in Rojava-Kurdistan als Kommunisten aus Kurdistan.

Unsere Partei hat eine Rojava-Organisation. Das ist eine Struktur, die daraus folgt, dass wir eine Kurdistan-Partei sind. Sie ist direkt an unsere MLKP/Kurdistan Organisation gebunden, organisiert und strukturiert sich aber in Rojava. Unserer Parteilinie zufolge ist es unser Recht und gleichzeitig unsere Pflicht, uns innerhalb aller vier Teile unseres Kurdistans zu organisieren, das von Imperialisten und Kolonialisten zersplittert worden ist, und die Befreiungskämpfe in diesen Teilen mit einer sozialistisch-patriotischen Perspektive zu unterstützen und zu fördern. Als eine Errungenschaft im Lichte der Entwicklungen in Rojava hat unser fünfter Kongress eine Reihe von Beschlüssen bezüglich der Vergrößerung unserer Organisation in Kurdistan getroffen. Mit Blick auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten, die es mit sich bringt, dass in Rojava eine Revolution stattfindet, hat der Kongress einige politische und organisatorische Pflichten festgelegt.

Auch wenn der Großteil unserer Arbeit hier aus der Verteidigung besteht, organisieren wir uns politisch sowohl innerhalb der revolutionären Institutionen als auch innerhalb der Massen. Eines unserer primären Ziele ist die Verteidigung der Revolution, die Vertiefung des revolutionären Prozesses und die Steigerung des revolutionären Bewusstseins der Massen hier. Es ist wahr, was sich in Rojava ereignet ist wirklich eine Revolution, aber diese ist nicht in jedem Sinne vollendet. Rojava ist umringt von Imperialisten sowie von regionalen rektionären Staaten, von Parteien und Organisationen der opportunistischen Linie und der Bourgeosie der KDP. Die Völker Rojavas sollen durch Krieg, Bombenexplosionen, Embargo und Armut eingeschüchtert und erdrückt werden. Die Notwendigkeit, die Menschen dazu zu bewegen, sich die Revolution zu eigen zu machen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl mit dieser Revolution zu stärken, ist bestimmend für die Pflichten unserer Partei.

Manchmal wird das nicht gut genug verstanden aber Rojava steht unter einer absoluten Umzingelung. Eine Seite wird vom türkischen Staat umzingelt - mit Mauern, Stacheldraht, Soldaten und Panzern. Die andere Seite wird von IS und dem anderen Kollaborateur der Türkei, den Barzani-Kräften, umzingelt - letztere versuchen uns zu „disziplinieren", indem sie uns Hunger und Armut ausliefern, indem sie das einzige Tor durch die Grenze zum Irak, Sêmelka, schließen. Abgesehen von Efrîn ist keine Grenz-Beziehungen mit dem Syrischen Regime übrig. Bis jetzt ist es dem Regime nicht gelungen die Revolution aufzuhalten, allerdings können wir davon ausgehen, dass sie als unsere historischen Kolonialherren mit ihrer durch den arabischen Nationalismus geformten Mentalität versuchen werden, die Revolution, die sie durch verschiedenste Angriffe und Intrigen nicht verhindern konnten, bei der ersten Gelegenheit, die sich ihnen bietet, zu erwürgen.

Unter den Bedingungen einer solchen Umzingelung ist es entscheidend für die Revolution, die Menschen politisch und ideologisch zu gewinnen. Daher sind die eben genannten Kampagnen "Ez Naçim", also die 'Ich gehe nicht'-Kampagne und "Di Komînan de xwe Rêxistin Bike, Ji Fîderasyonê Xwedî Derkeve" ("Organisier dich in Kommunen, umarme und beschütze die Föderation!") wichtig für uns und werden von uns unterstützt. Damit stellen wir uns gegen die „Reise in die Hoffnung", wie eine Fluchtpolitik nach Europa mit durch und durch ideologischen Zielen benannt wird. Wir nehmen ideologisch Haltung dagegen ein und erklären statt dessen, dass die Hoffnung in Rojava ist. Außerdem entlarven wir die imperialistischen Lügen zusammen mit unseren Freunden, die aus Europa kamen, um sich der Revolution anzuschließen. Wir können voller Aufrichtigkeit sagen, dass die Sozialistisch-Patriotische Haltung eine charakteristische Eigenschaft unserer Partei ist. Das heißt, wir sehen uns als kommunistische Komponente in der Revolution, als Avantgarde des sozialistischen Kampfes. Wir versuchen unseren national-demokratischen Befreiungskampf mit einer sozialistische Perspektive zu verbinden. Unserer Ansicht nach ist es notwendig die Rojava-Revolution mit den Sozialismus zu vollenden und wir agitieren und propagieren diesen Gedanken, während wir die gegenwärtige Revolution verteidigen. Denn wir denken, dass durch den Sozialismus die gesamte Region befreit werden kann. In jedem Bereich, in dem wir unseren Kampf ausüben, versuchen wir die Grundlagen dafür zu schaffen, dass diese Perspektive zur Realität werden wird. Der Sozialismus oder sozialistischer Patriotismus ist von seinem Charakter her keine selbstverständliche Sache. Man muss an der Seite der Unterdrückten, Werktätigen, der Arbeiter*innen, der Frauen und Armen mit einer Perspektive des patriotischen Sozialismus stehen. Es bedarf den Aufbau von Bündnissen, welche diese Perspektive realisieren und man muss die grundlegenden Kräfte der Revolution mit dieser Herangehensweise bilden, das Bewusstsein dahingehend stärken und organisieren. Das ist es was wir mit aller Kraft versuchen.

Die Organisierung und Art Politik zu machen hier ist nicht so wie in der Türkei, oder gar Nordkurdistan. Deshalb müssen die hiesigen Normen sich von den anderen unterscheiden. Hier in Rojava können wir über sehr eigene Aspekte sprechen. Zu aller erst organisieren wir uns innerhalb der Revolution; da wir ein Teil von ihr sind, versuchen wir die Bewegung auf der Seite des Sozialismus voranzubringen. Vor allem muss diese Revolution gesichert werden, was bedeutet, dass all die Bedrohungen, die ich gerade erwähnt habe, beseitigt werden müssen. Durch Schimpfen von Außerhalb, vom Rande, oder noch realistischer um es auf den Punkt zu bringen, von Computer-Bildschirmen aus, von der hohen Bühne aus kann das nicht gelingen. Das gelingt nur durch ein wirkliche Beteiligung an der Revolution, durch das Vergießen von Blut und Schweiz dafür. Das ist der einzige Weg, wie Worte und Verbundenheit gesehen werden und unseren Völkern gegenüber Gewicht haben kann. Dahinter, dass unsere Partei eine respektable Kraft innerhalb dieses Landes ist, stehen unsere Bemühungen, genau diesen Einsatz zu zeigen und diese Verpflichtung zu leben.

Es ist bekannt, dass ihr eurer zweites Bataillon in Rojava aufgestellt habt. Was ist die Mission des Şehit Sarya Bataillons?

Das Şehit Sarya Bataillon, was eigentlich bereits früher bestanden hat aber erst am 12. Dezember, dem Tag an dem unsere Genossin Sibel Bulut (Sarya Özgür) unsterblich geworden ist, öffentlich bekannt gemacht worden ist, ist ein Ausbildungsstellung für neue Kämpferinnen. In diesem Bataillon befinden sich neue Kämpferinnen, die sowohl von außerhalb als auch aus verschiedenen Teilen Rojavas kommen, um militärisch und ideologisch ausgebildet zu werden. Mit diesem Bataillon zielen wir auch darauf ab, ein Mittel zur Verfügung zu stellen, mit dem junge kurdische, arabische und assyrische Frauen aus Rojava sich der Revolution anschließen und sie verteidigen können. Innerhalb des YPG-Systems aber eigenständig organisiert, hat dieses Bataillon bisher Jugendliche, internationalistische Kämpfer und auch zu unserem Parteiumfeld zählende junge Frauen aus Rojava, die allesamt die Revolution verteidigen wollen und sich militärisch und ideologisch entwickeln wollten ausgebildet. Nun wollen wir diese Arbeit mit einer erhöhten Teilnehmerzahl - aus lokalen Gebieten sowie im allgemeinen - weiter führen.

Was ist mit dem Internationalen Freiheitsbataillon? Was erwartet ihr von diesem in der Zukunft?

Das Internationale Freiheitsbataillon ist ein Teil dieser Revolution, der Anfang 2017 drei mal von den IS-Banden angegriffen wurde, aber genau wie es in ihrem Slogan heißt, der in großen Buchstaben an den Mauern der in ihre Stellung umgewandelten Schule geschrieben wurde: „NO PASARAN", konnten diese Banden nicht durchbrechen. Ich habe die Bestandteile der Gründung dieses Bataillons bereits zuvor erwähnt; genau jetzt gerade besteht dieses Bataillon aus der BÖG, TIKKO und MLKP zusammen mit internationalen Kämpfern aus verschiedenen Ländern. Mit seiner revolutionären Praxis, die es bei mehreren Angriffen gezeigt hat, mit den Märtyrern und verwundeten Genoss*innen, hat das Bataillon in diesem Gebiet Respekt gewonnen. Während eines Angriffes am 9. Januar hat das Bataillon den IS-Banden einen heftigen Schlag verpasst. Nach einem Kampf wurden in dem selben Gebäude sechzehn Leichen der Banden gezählt. Genosse Doğan Kırefe von der BÖG wurde zum Märtyrer und zwei unserer Partei-Kämpfer wurden verwundet. Die Banden sind schwerer als je zuvor in diesem Gebiet geschlagen worden und folglich versuchen sie nun ihre Kräfte mit neuen Hinterhalten wieder zu beleben. Aber wir rufen weiterhin „no pasaran"!

Wir wollen, dass das IFB ein Fenster der Rojava-Revolution zur gesamten Welt wird. Ein solches Bataillon, das Frauen und Männer aus zahlreichen Nationen in der ganzen Welt umfasst, wird definitiv eine eindrucksvolle, deutliche Nachricht an die Völker der Welt senden. Bis jetzt hat die Beteiligung an dem Bataillon bezüglich ihrer Quantität unsere Erwartungen nicht erfüllt. Zumindest in diesem Aspekt muss ich leider sagen, dass die linken und sozialistischen Bewegungen stark hinter die IS-Banden zurückgefallen sind. Dabei handelt es sich hier um eine Revolution, die darauf abzielt, ein auf Gleichheit und Freiheit basierendes Verhältnis zwischen den Völkern zu schaffen, ohne in engstirnigem Nationalismus stecken zu bleiben, und trotz der Tatsache, dass sie obendrein geradezu sinnbildlich das Licht gegen die reaktionäre Barbarei repräsentiert, das unter dem Namen IS verkörpert ist.

Der Fakt, dass die USA, Frankreich oder sonst welche anderen imperialistischen Kräfte gezwungen wurden, ihren eigenen Interessen zuliebe militärische Operationen gegen den IS zu beginnen, auch wenn der IS ein Abgesandter ihres NATO-Alliierten, dem Türkischen Staat, ist, lässt diese Eigenschaften der Revolution in keinster Weise erlöschen.
Ob wir die USA oder andere Koalitionspartner haben oder nicht - Manbidsch wäre so oder so irgendwann erobert worden und nach Raqqa wäre man so oder so irgendwann marschiert, denn der IS ist die größte Bedrohung Rojavas. Wir haben nicht tausende unserer Märtyrer verloren und verwundeten Genoss*innen während eines Krieges gegen die Syrische Regierung oder mit anderen regionalen reaktionären Staaten. Es geht darum, den IS zu bekämpfen, also ja, es hängt nicht von den Jets oder Drohnen der Imperialisten ab, die sie für ihre eigenen Interessen einsetzen, ob Gegenschläge durchgeführt werden. Wir sehen dies als eine notwendige und lediglich vorübergehende taktische militärische Beziehung an, während wir gleichzeitig wissen und uns darauf vorbereiten, dass diese Jets eines Tages kommen könnten, um auch uns anzugreifen.

Es ist verständlich, dass manche unserer Freunde, die in Wort und Tat an der Seite der Revolution stehen, einige Sorgen bezüglich der Absichten der Imperialisten haben. Ja, wir reden hier über Imperialisten und, in der Tat, sie ‚helfen‘ nicht aufgrund ihrer Sympathie für Kurden oder Arabern. Sie haben ihre eigenen Interessen, die gerade bloß zufällig für eine kurze Zeit mit denen der Kurden zusammenfallen. Die Imperialisten haben sowohl ideologische als auch politische Probleme mit der bestehenden Führung der Revolution und dem Willen, der sie leitet; und diese sind nicht die Art von Problemen, die man durch eine Ansammlung taktischer militärischer Bündnisse oder Fliegerbomber-Einsätze ausräumen kann. Die Revolution schwächen, sie wirtschaftlich und technisch von den Imperialisten abhängig machen, sie dazu bringen, ihrer Linie zu folgen - das ist es, worauf sie abzielen. Dazu kann ich sagen: Würde diese Revolution durch eine Barzani-Perspektive geleitet, dann wäre Rojava bereits international anerkannt. Wir denken, das im Licht dieser Wahrheit gesprochen werden muss und die Verantwortung für das Gesagte getragen werden muss. Das ist es, was von fortschrittlichen und revolutionären Kräften erwartet wird.

Und übrigens, bis jetzt habe ich noch von keinem „linken" Jet oder keiner Rakte gehört, die davon abgehalten worden sind, den IS anzugreifen. Niemand sollte auch nur den geringsten Zweifel daran haben, dass wir niemals irgendjemanden davon abhalten würden, den IS und seinen Anhänger, sowie den türkischen Staat, anzugreifen; sei es mit Kugeln oder Raketen oder vergessen wir das, selbst mit Steinen. Es gibt keine*n, der*die Menschen im Weg stehen wird, die gewillt sind, sich einzusetzen, zu kämpfen, die anti-imperialistische Flagge zu heben; weder hier noch an irgend einem anderen Ort auf der Welt!

Für uns sind Internationalist*innen, die aus individueller Initiative hier her kommen, um etwas für die Revolution zu tun, tausend Mal schöner als Großmäuler, die gewichtig prahlen. Bei dieser Gelegenheit würde ich gerne all die internationalen Krieger*innen grüßen, die die Revolution und den aktuellen Prozess in der richtigen Art und Weise bewertet haben und sich Rojava zugewandt haben, hergekommen sind und gekämpft haben, zu Märtyrern geworden, verwundet oder festgenommen worden sind, und ihnen gedenken und sie grüßen.

In welchem Ausmaß beteiligt ihr euch an der Leitung des wirtschaftlichen und politischen Lebens in den Versammlungen oder anderen Arten politischer Strukturen? Was ist die Aufgabe, die ihr euch in diesen Bereichen gestellt habt? Welche Probleme habt ihr gelöst oder bemüht ihr euch zu lösen?

In Rojava ist das wirtschaftliche und politische Leben organisiert. Das Kanton besteht aus autonomen Verwaltungen, verschiedene Organisationen, etabliert in jedem Lebensbereich; von Tev-Dem, Kongra-Star, Räten, Kommunen, bis Berufsverbänden usw. Innerhalb all dieser Organisationen und parallel zu diesen gibt es gleichgestellte Frauenorganisationen. Wir können nicht behaupten, dass sie alle in optimaler Weise ihre Rolle spielen oder problemlos arbeiten würden aber es ist sicher gestellt, dass es viele verschiedene Organisationen gibt, durch die die Menschen und insbesondere die Frauen ihre Rechte verteidigen und sich in vielfältiger Weise ausdrücken können. Als Bestandteil und Kader der Revolution arbeiten wir dafür, auch wenn unsere Kräfte begrenzt sind, um diese Organisationen funktionstüchtig zu machen, dafür, dass sie ihre Rolle spielen und dass die Massen sie sich zu eigen machen.

Es gibt kommunistische Repräsentant innerhalb einiger Entscheidungen tragender Institutionen auf Kanton-Ebene sowie in Kanton-Räten und in den Einheiten, die Organisationsarbeit leisten. Ebenso diskutieren wir als Kommunisten in einer Vielzahl anderer Plattformen bei Bedarf unsere Ansichten und machen Vorschläge. Erneut muss ich sagen, dass es in der Quantität gering ist.

Wichtig ist, mit einer sozialistischen Perspektive Ansichten und Anregungen bezüglich des Prozesses einzubringen und den Massen zu unterbreiten. Das ist es, worum wir uns bemühen. Kommunistische Kader arbeiten in den Institutionen, setzen ihre Anregungen auf die Agenda der Institutionen, von denen sie ein Teil sind, und tragen diese Anregungen hinauf bis zur Entscheidungsebene. So werden einige Kampagnen und Veränderungsideen zum Thema und die Institutionen erhalten die Aufgabe, sich darum zu bemühen, dass diese von den Massen verinnerlicht werden. Die Kampagnen, die ich eben erwähnt habe, sind beispielsweise Kampagnen dieser Art. Während diese hauptsächlich von Kommunist*innen organisiert werden, werden sie auch von Parteien und Organisationen, die sich dort gesammelt haben, unterstützt und praktiziert. Die gemeinsame Verteilung von Flugblättern, Podiumsdiskussionen, Besuche von Institutionen, Massenversammlungen, Graffitie-Sprayen und Plakatieren, das alles wird kollektiv durchgeführt und wir versuchen dabei so viele Gruppen und Parteien wie möglich einzubeziehen. Treffen werden in den Kommunen abgehalten. Für die Tagesordnung schlagen wir Themen des alltäglichen Lebens, Themen der Arbeiter*innen und ebenso Themen der revolutionären Politik vor. Wir kämpfen gegen einige Fälle ideologischer Verwesung an, wir geben Anregungen zur Ausbreitung der Frauenrevolution. Zum Beispiel wurde kürzlich eine Kampagne mit dem Ziel, den Massen das System der Föderationen verständlich zu machen, auf der Ebene des kantonalen Entscheidungsinstitutionen übernommen und die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Kampagne wurde anerkannt. Also gibt es nun eine Kampagne zu diesem Thema in allen Kantonen. Während wir verschiedene Anregungen entwickelt haben, um die Unzufriedenheit zu vermindern, die auf Grund der Krise in Folge der Zucker- und Gasknappheit entstanden war, haben wir außerdem kontinuierlich Erklärungen zur Entlarvung der reaktionären ENKS und KDP verbreitet - diese haben eine Mitverantwortung für einige dieser Krisen. So konnten wir eine wichtige Rolle dabei spielen, eine grundsätzliche Entscheidung zur Organisierung von Massendemonstrationen zu erreichen. Während wir Diskussionen darüber führen, Bürokratisierung-Prozesse zu verhindern, setzen wir uns gleichzeitig für die Schaffung weiterer institutioneller Möglichkeiten ein, die eine Brücke zwischen den Völkern schlagen können - wenigstens soweit unsere aktuellen Kapazitäten es zulassen. Unsere sozialistische Perspektive auf die Themen, Fragen und Probleme ermöglicht es uns objektive, realistische Überlegungen bezüglich der Kräfte anzustellen, welche die Vorreiterrolle der Revolution spielen. Auch wenn wir in gewisser Weise verteidigen, die Position als „Gewissen der Revolution" zu haben, haben wir leider bisher noch nicht die angestrebte Qualität erreicht. Wir setzen uns weiterhin dafür ein.

Auch wenn es möglich ist, über zahlreiche Themen nachzudenken und zu diskutieren, so wie etwa die ökonomischen Probleme, die Bedürfnisse der Völker, die Rechte und Freiheiten der Frauen oder die Rechte der Kinder, die Rechte von Natur und Tieren usw., manche Themen werden innerhalb dieses politischen Klimas faktisch zu Luxusthemen. Unter Bedingungen in denen sowohl ein Krieg als auch ein Embargo weiter anhalten während gleichzeitig der IS und ihre Regierungsfreunde in der Türkei auf jede erdenkliche Art angreifen, um die Revolution zu ersticken, richten wir unsere Aufmerksamkeit in erster Linie auf die Sicherung und Weiterentwicklung der Revolution sowie unserer bisherigen Errungenschaften.

Hinsichtlich der Linderung der Folgen des Embargos ist es nicht notwendig, noch einmal die Fruchtbarkeit der Länder Rojavas zu betonen. Ebenso wie wir praktische Anregungen geben bemühen wir uns also auch in Diskussionen wie unserem Handeln um eine größere Zahl an Möglichkeiten, um das Streben nach Dingen wie beispielsweise einer Vergrößerung der landwirtschaftlichen Produktivität in einer kollektiven Art und Weise zu gestalten, um die Verpflichtung zur Aufklärung der Massen einzubringen, um die Revolution international bekannt zu machen und die internationale Solidarität zu verstärken, um gemeinsam ideologisch und juristisch gegen die Kriegsnutznießer zu kämpfen, und so weiter.

Wie entwickelt die Rojava-Revolution in ihrer Eigenschaft als „Frauenrevolution" den Befreiungskampf der Frauen in dieser Phase? Welche sozialen und politischen Perspektiven, welche Mittel und Methoden sind geeignet für einen Fortschritt der Frauenrevolution? Welche Rolle schreibt sich die KKÖ (Kommunistische Frauen Organisation) der Partei dabei zu?

Vor allem ist es in diesem patriarchal geprägten Mittleren Osten eine absolute Ehre für jede*n, Teil einer Revolution sein zu können, die Themen diskutiert wie eine Frauenarmee, den Frauenwillen, gleiche Repräsentation, ein System der Co-Vorsitzenden, eine Frauenpolizei, Frauenkommunen, Frauengerichte und hunderte gesetzliche Artikel, die sich auf die Seite der Frauen stellen. Das alleine reicht schon aus, um auszudrücken, was hier in Rojava für eine Revolution stattfindet! Der erste Bereich, der unserer Revolution sowohl einen demokratischen als auch einen freiheitlichen Charakter gibt, ist der Bereich der Frauenbefreiung! Ja, die Rojava Revolution ist eine Frauenrevolution, denn die Frauen als Hälfte der Gesellschaft, haben die grundlegenden Rechte und Freiheiten. Sie haben ihre eigenen Organisationen, Arbeiten, ihre eigene Politik und Asayiș, gesellschaftlichen Verteidigungskräfte und Armeen. Es ist wahr, dass es immer noch einige ernsthafte Probleme in praktischen Fragen gibt. Fünftausend Jahre andauernden Männerherrschaft haben die Kultur, das alltäglichen Leben und die Politik bestimmt; Frauen müssen immer noch an zahlreichen Fronten kämpfen und wachsam sein. Die vorhandenen Rechte und Freiheiten und wie die Frauen sie sich hier zu eigen machen sind dennoch nicht mit denen irgend eines anderen Landes zu vergleichen. Rojava ist in dieser Hinsicht ganz weit vorne. Die kapitalistisch-patriachalen Länder können natürlich kein Maßstab für uns sein. Der Maßstab kann nicht hinter die Errungenschaften und Ansichten des Frauenbefreiungskampfes und des Sozialismus zurückfallen. Selbstverständlich würden die Revolutionsmacherinnen, unter ihnen die kommunistischen Frauen, das auch nicht zulassen.

Die kommunistischen Frauen versuchen mit ihren begrenzten Kräften die Perspektiven unserer KKÖ unter den Frauen zu verbreiten. Unsere Genossinnen sind mit ihren Analysen und Vorschlägen zu Kampagnen und Plänen sowie bei der Organisierung einiger besonderer Tage wie dem 8. März oder dem 25. November sehr aktiv. Zuvor haben wir Verantwortung in Mala-Jin (Haus der Frauen - ein Ort nur für Frauen in jeder Nachbarschaft) übernommen, in Frauenstiftungen, wir haben eine eigene Frauenpresse gegründet und gerade arbeiten wir in Frauenkommunen und Dachorganisationen mit... Der Aufbau von Frauensolidarität hat uns gute Grundlagen dafür geschaffen, um unter jungen Frauen und Hauswerktätigen zu arbeiten. So können wir den Fortschritt der Frauenrevolution gemeinsam mit ihnen organisieren.

Ich kann sagen, dass die aktuelle Entwicklung dabei die Folgende ist: Der Gesellschaftsvertrag des Systems der Demokratischen Föderation Nordsyriens, der sehr wichtige Diskussionen umfasst, ist in bedeutendem Maße von der Stimme der Frauen geprägt. Sowohl während der Vorbereitungsphase als auch während der Verhandlungsphase waren es die Frauen, welche die aktivste Rolle gespielt haben. Die „Praxis der Co-Vorsitzenden" wurde zu einem Teil des Systems der Föderation gemacht. Ebenso wurden Gesetze zur Gleichstellung von Frauen durch die Föderation sicher gestellt. Diese bringen zum Ausdruck, dass die Errungenschaften der Rojava Frauenrevolution im gesamten föderativen System umgesetzt werden und sich in der Region verbreiten.

Unsere daraus resultierenden Verpflichtungen beinhalten es Vorschläge zu machen und dafür zu sorgen, dass sie von einer Massenbasis getragen werden - bezüglich Themen wie etwa der Erziehung der gesamten Gesellschaft, insbesondere der Männer, oder bezüglich Themen wie der Vertiefung des rechtlichen Niveaus der Revolutionserrungenschaften, die wir bisher erreicht haben, oder der Verbreitung von alldem in der ganzen Welt durch die Entwicklung der Frauenbündnisse sowohl regional als auch international.

In welchen Aspekten hat die Erfahrung der Rojava-Revolution das theoretische und politische Verständnis eurer Partei verbessert und bereichert? Welche Auswirkungen hat diese Erfahrung auf die Kommunist*innen in Kurdistan, in der Türkei sowie die internationalen Kämpfer*innen und Organisationen, die die Revolution unterstützen, gehabt und was hat diese Erfahrung diesen Kräften gebracht?

Also, ich bin nicht sicher, ob ich diese Fragen alle vollständig beantworten kann. Aber zuallererst möchte ich antworten, dass die Rojava-Revolution es uns ermöglicht hat, unseren revolutionären Horizont zu erweitern und konkrete Erfahrungen unmittelbar aus der eigenen Teilnahme inmitten einer aktuellen Revolution zu schöpfen. Wir haben alle Entwicklungen selbst mit erlebt, denen jedes Land begegnet ist, das eine Revolution erlebt hat; der Moment, wenn die Massen die Straßen füllen und die staatlichen Institutionen enteignet werden, die Situation einer Doppelherrschaft, Menschen, die sich bewaffnen, Frauen, die zur Hälfte der Revolution werden, Militarisierung, Belagerung, ein Embargo usw.... Und wir sind nun gewappnet mit diesen Erfahrungen in der bestimmten, besonderen Form von Rojava - Kurdistan.

Die Befreiung eines historisch kolonialiserten Landes in Rojava-Kurdistan durch das Ergreifen einer aufkommenden Möglichkeit, mit der Chance, den „Dritten Weg" zu wählen, und das alles unter Bedingungen, in denen es keine Massen von Arbeiter*innen, keine Bewegung der Arbeiter*innenklasse im klassischen Sinne aber statt dessen die Führung einer Guerilla gibt - das alles ist eine äußerst lehrreiche Erfahrung. Wenn wir bestimmte historische Entwicklungen auf die richtige Weise verstehen, wenn wir die richtigen Taktiken entwickeln, dann wird klar: Es ist möglich mit begrenzten Kräften einen großen Entwicklungssprung zu bewirken und eine solche Situation in eine Revolution umzuwandeln; es hängt alles ab von dem Bestehen vorbereiteter, organisierter Kräfte. Das ist eine der äußerst bedeutsamen Einsichten, die uns die Revolution gelehrt hat.

Auch eines der Hauptthemen der Strategie muss hervorgehoben werden: Das Phänomen der „indirekten Reserven", welche uns die Praxis in Rojava gelehrt hat. Das korrekte Ausnutzen der Regierungskrisen imperialistischer und anderer reaktionärer Staaten wird hier in Rojava zu einer sehr konkreten Notwendigkeit. Das Benutzen der Konflikte und Widersprüche unter den Herrschenden für die Ziele der Revolution hat uns nicht nur gezeigt, dass es möglich ist als revolutionäres Subjekt in Form von Entwicklungssprüngen zu wachsen, sondern auch, dass es möglich ist, Politik zu betreiben, ohne in dabei in der Position einer Reservekraft der Imperialisten zu sein. Durch das Profitieren von diesen Konflikten und Widersprüchen und durch taktische Manöver hat die Revolution an Stärke gewonnen und sich zugleich den Bedingungen der Belagerung zum Trotz zu einer eigenständigen Macht entwickelt.

Behauptungen über die Unvermeidbarkeit von religiösen und nationalen Kriegen, welche die imperialistische und kapitalistische Barbarei als „Kampf der Zivilisationen" theoretisiert, werden durch die Praxis der Föderation und der Kantone, die Einigkeit und Solidarität unter den Völkern Rojavas schaffen, beantwortet. Das, was hier in Rojava zu erstrebt wird, wo die Menschen in Räten organisiert, in Kommunen vereinigt werden und dadurch die Bedingungen direkter Demokratie durch Basisorganisationen geschaffen werden, setzt die Theorie in die Praxis um und macht sie in der Aktion lebendig.

Zum Abschluss: Welchen Aufruf bezüglich der Rojava-Revolution möchtet ihr an unsere Völker richten?

Rojava ist eine Revolution einer aufsteigenden Hoffnung gegen die aufgrund von Kolonialismus, Rassismus und sektiererischer Politik entstandenen Verzweiflung. Innerhalb all diesen erstickten Blutes und all dieser Grausamkeit ist Rojava ein Ort an dem unsere Völker ein wenig frische Luft atmen können. Es ist geprägt von Gleichheit und Freiheit. Auch wenn es noch weit davon entfernt ist, vollendet zu sein, hat das, was es bereits erreicht hat, längst seinen Platz in der Geschichte eingenommen.

Kommt und beteiligt euch an der Revolution. Kommt uns verteidigt die Revolution. Kommt und kämpft dafür, dass diese Revolution zu einer sozialistischen Stellung des 21. Jahrhunderts wird. Die Revolution gehört den Völkern. Sie gehört den Unterdrückten und, ja, mehr als alles andere gehört sie den Frauen. Tut etwas für sie. Gebt dieser Revolution politische, materielle und moralische Unterstützung!

Rojava ist ein wunderschöner Ort für all jene, die gewillt sind, von dem Rost und Dreck der imperialistischen, kapitalistischen Welt gereinigt zu werden. Es ist ein kleiner, bescheidener Frühling der Freude für die Menschheit.

Hier haben wir eine Revolution für all jene, die gewillt sind, sich von der Lohnsklaverei zu befreien, eine Revolution, die sie ihr Eigen nennen können. Egal wie sehr wir sagen, wie stolz wir auf sie sind, es wird nicht genug sein. Lasst uns das Interview beenden, indem wir sagen, kommt her und habt die Ehre, ein Teil der Revolution zu sein, oder besser noch, sagen wir die letzten Worte in unserer eigenen Sprache:
Bijî têkoşîna rûmet û azadîyê! Bijî Şoreşa Rojava! (Lang lebe der Kampf für Freiheit und Ehre! Lang lebe die Rojava-Revolution!)