DIE POLITISCHE KRISE DER EU UND IHRE ZUKUNFT
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Die EU wächst ziemlich schnell. Dieser Wachstumsprozess wird hauptsächlich von dem deutschen Imperialismus geführt und gefördert. Letztes Jahr sind der EU 10 Länder beigetreten und bislang haben Bulgarien und Rumänien die Mitgliedsverträge unterzeichnet. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien haben nach dem 3. Oktober begonnen. Die anderen Balkanländer warten darauf, dass sie an die Reihe kommen. In den Expertenkommissionen der EU wird über die Mitgliedschaft von Belorussland und Moldawien diskutiert. Am Ende ihrer Expansion kann die EU zu einer 35 Staaten umfassenden Freihandelszone werden oder als Binnenmarkt von Nationalstaaten neu strukturiert werden.

Alles begann im Jahr 1957 mit dem Vertrag von Rom. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde die Europäische Wirtschaftsgemein-schaft (Gemeinsamer Markt) gebildet. Nach 1957 wurde 30 Jahre lang kein weiterer Vertrag unterschrieben. Aber nach 30 Jahren folgten viele Verträge hintereinander zur Vertiefung und Ausweitung der ökonomische Integration: 1987 die Einheitliche Europäische Akte zur Bildung eines Binnenmarktes; 1992 die Maastrichter Verträge; 1997 der Amsterdamer Vertrag; 2000 wurden die Nizza-Verträge unterzeichnet und schließlich kam die Europäische Verfassung auf die Tagesordnung. Der Verfassungsentwurf wurde in einigen Ländern den Parlamenten zur Abstimmung vorgelegt und in einigen anderen als Referendum eingebracht. Die Ergebnisse der Referenden haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass die EU sich in einer tiefen Krise befindet und nicht über den Rahmen einer ökonomischen Integration herauswächst. Das Streben danach, auf der Grundlage der genanten Verfassung einen föderativen EU-Superstaat zu errichten, hat sich vorläufig als Luftschloss erwiesen.

Die politische Krise, die im Verlauf der Diskussionen über die Verabschiedung des Haushaltes und die Annahme der Verfassung ausbrach, spiegelt die Haltungen wieder, die die Zukunft der EU unmittelbar in Frage stellten. Eine EU mit einer Verfassung wäre ein bedeutender Schritt hin zur Gründung einer in Westeuropa konzentrierten, neuen Hegemo-nieordnung und zur Herausbildung einer gemeinsamen Außenpolitik und gemeinsamen Streitkräften. Es ist ziemlich deutlich, dass die Verfassung der erste relevante Schritt zur Errichtung der politischen Union wäre. Ein solcher Schritt würde die EU den USA gegenüber stärken und ihre Konkurrenz-kapazität auf den Weltmärkten erhöhen. In diesem Sinne wäre eine EU mit Verfassung mächtiger als eine EU ohne Verfassung.

Auf diese oder jene Art und Weise hat sich die EU bis heute erweitert und ausgedehnt. Ihr Wachstum und ihre Expansion haben Widersprüche auf die Tagesordnung gebracht, die bisher nicht zur Sprache gekommen sind. Die gegenwärtige politische Krise zeigt, dass die EU wächst und sich ausdehnt, indem sie ihre internen Widersprüche, ihre interne und externe Konkurrenz wachsen und ausdehnen lässt.

Führen der Wachstum und die Expansion der EU gleichzeitig zu einer Vertiefung? Über die Vertiefung gibt es zwei verschiedene Standpunkte: Die eine Seite versteht unter Vertiefung Demokratie und Wohlstand. Diese Seite besteht generell aus denjenigen, die Erwartungen an die EU knüpfen. Die andere Seite, in erster Linie Deutschland und Frankreich, versteht darunter "die Manöverfä-higkeit der EU" zu erhalten. Diese Länder verstehen unter der Vertiefung und der Erhaltung der "Manöverfähigkeit der EU" die Bildung eines "Kerns", den sie anführen werden. Auf diese Weise würden sie die Zukunft und Entwicklung der EU ihren eigenen Interessen entsprechend steuern, so wie sie das bis heute getan haben. Den anderen Ländern käme die Aufgabe zu, einen Kreis zu bilden, der den Kern umgibt.

Die führenden imperialistischen Länder der EU wie Deutschland und Frankreich verstehen sowohl unter der Expansion als auch unter der Vertiefung der EU eine EU, deren Mitglieder nicht die gleichen Rechte haben.

Die Verfassung wurde ausgearbeitet, um diesen Zustand zu legitimieren und gesetzlich abzusegnen. Sie wurde aber doch abgelehnt, besonders in allen voran von Frankreich, das eines der Länder ist, die diese Legimitation wollen.

Wie demokratisch ist die genannte Verfassung? Hochtrabende Reden und abgedroschene Phrasen über Demokratie haben nichts zu sagen. Falls diese Verfassung eines Tages in Kraft treten sollte, wird sie die EU so "demokratisch" machen wie die USA, d. h, die EU wird so demokratisch sein wie die USA. Denn diese Verfassung wurde erarbeitet, um eine neue Hegemoniemacht mit Zentrum in Europa unter der Führung von Deutschland-Frankreich zu bilden. Diese Verfassung gründet sich auf die neoliberalen "Werte". Die neoliberalen "Werte", die schon seit langem vom US-Imperialismus praktiziert werden, sind in der EU-Verfassung festgehalten. In diesem Rahmen kann die Hegemoniemacht, die gebildet werden soll, mindestens so demokratisch wie die USA mit ihren erwähnten neoliberalen "Werten" sein. Wir sagen "mindestens", weil die Verfassung noch über die neoliberalen "Werte" des US-Imperialismus hinausgeht. Die EU-Verfassung ist relativ offen für die Errichtung einer "demokratischen" Diktatur. Die neoliberale Politik, die in den Maastrichter Verträgen festgehalten ist, bildet den 3. Abschnitt der Verfassung. Eine Mehrheit ist nicht ausreichend, um dort Veränderungen vorzunehmen, dafür ist ein einstimmiges Ergebnis erforderlich. Der US-Imperialismus kann seine geltenden neoliberalen "Werte" verändern, wenn seine Interessen es erfordern. Aber die Verfassung verpasst der EU eine neoliberale "Zwangsjacke". Das gesamte ökonomische, politische und soziale Leben in den EU-Ländern ist heute nach diesen "Werten" organisiert. Muss man noch darüber nachdenken, wie demokratisch die EU mit ihrer Verfassung der neoliberalen "Werte" überhaupt sein kann?

Kurz gesagt: Der Verfassungsentwurf sieht eine EU ohne Demokratie vor. Ihre Wegbereiter und Ideologen sind nationale und EU-weite Technokraten und Eliten. Diese Elemente sind die Meister der Strategie (allein genommen bedeutet sie nichts, aber in ihrer Gesamtheit ist sie der Ausdruck wichtiger Entwicklung), Schritt für Schritt vorzugehen. Erst wurde ein gemeinsamer Markt für Kohle und Stahl geschaffen. Anschließend folgte das Konzept des Gemeinsamen Marktes. Die Schaffung des Gemeinsamen Marktes, oder die Bildung eines Binnenmarktes der Mitgliedsländer, ließ gewisse Regeln, Gesetze und Verträge unvermeidlich werden. Von Anfang an musste jede Verordnung, jedes Gesetz oder Abkommen, oder genauer gesagt, jeder Vertrag, dem freien Verkehr von Waren, Kapital etc. dienen. Zu diesem Zweck wurde 1987 die Einheitliche Europäische Akte verabschiedet.

Um den gebildeten Binnenmarkt maximal ausnutzen zu können, brauchten die Monopole eine gemeinsame Währung. Zu diesem Zweck wurden die Maastrichter Verträge unterzeichnet. Aber eine gemeinsame Währung war nicht ausreichend. Um die gemeinsame Währung Euro maximal ausnutzen zu können, müsste die Union sich auf einen rechtlichen Überbau stützen: eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Das bedeutet, dass man über eine gemeinsame Verteidigung nachdenken musste; eine Armee musste gebildet werden, und diese Armee musste stark genug sein, um den Willen der EU außerhalb ihrer Grenzen zu verteidigen und umzusetzen.

Also war eine politische Union nötig, um maximal von der Wirtschaftsunion, und der gemeinsamen Währung profitieren zu können. Dieses Ziel haben sie teilweise mit dem Amsterdamer Vertrag erreicht; genauer gesagt, der Weg für eine politische Union wurde rechtlich freigemacht. Aber später erinnerte man sich daran, dass Europa nicht nur aus Westeuropa besteht, sondern dass dieser alte Kontinent auch noch einen Norden, einen Süden und einen Osten hat! Und dafür wurde ein Vertrag benötigt. Und er wurde geschaffen: den Interessen des deutschen und französi-schen Kapitals entsprechend wurden Süd- und Osteuropa mit dem Abkommen von Nice an die EU gekoppelt. Aber auch das war noch nicht ausreichend. Es mussten Schritte hin zu der Errichtung eines Föderalen Europäischen Unionsstaates unternommen werden. Der erste Schritt dafür konnte nur eine Verfassung sein, die die Mitgliedsländer an die Interessen des deutschen und französischen Monopol-kapitals bindet: Diese beiden imperialistischen Länder beabsichtigen, einen recht zentrali-sierten föderativen Staat der Europäischen Union unter ihrer Kontrolle zu gründen. Die Franzosen und Deutschen sind ja schon seit den Stammeszeiten Verwandte. Vielleicht wollten sie deshalb ein neues, modernes Karolingerreich errichten! Aber die Ergebnisse des Referendums haben bewiesen, dass sie sich verkalkuliert haben!

Ende 2004 wurden neue Maßnahmen getroffen, um die "Festung Europa" Wirklichkeit werden zu lassen. Auf dem Ministertreffen von 25 Ländern in Brüssel legten sie die Grundlage für ein gemeinsames Zuwanderungssystem, für den gemeinsamen Schutz der EU-Grenzen und für mehr Informationsaustausch zwischen Polizei und Geheimdiensten fest. Diese Maßnahmen wurden unter dem Begriff "Haager Programm" zusammengefasst.

Im Namen der "Garantie der Grundrechte" gibt die EU ihren Mitgliedsstaaten das Recht, "illegale Einwanderer in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken".

Das "Haager Programm" gilt für alle EU-Länder und bildet die Grundlage für Reise- und Einwanderungsbestimmungen im Rah-men der EU.

Jede bedeutende große politische Krise bringt die grundlegenden Probleme und Ursachen ans Tageslicht, die bis dahin verschleiert waren. Die Ablehnung des EU-Verfassungsentwurfes in Frankreich und den Niederlanden und anschließend das Haushaltsproblem und der Ausbruch der Finanzkrise müssen als Anlass und gleichzeitig als Grund für den Ausbruch der aktuellen politischen Krise betrachtet werden.

Wenn wir uns die Entwicklung der EU ansehen, begegnen wir stets vielen Widersprüchen, Diskussionen und Konkur-renzstreit. In der EU gibt es Widersprüche zwischen den großen und den kleinen Staaten. Es gibt Länder, die vor der Herrschaft Deutschlands und Frankreichs auf der Hut sind. Andererseits gibt es aber auch Länder, die diese Dominanz als Antriebskraft der EU betrachten. Kürzlich kam der Widerspruch zwischen dem "alten" und dem "neuen" Europa auf die Tagesordnung. Hier ist die Rede von der Opposition der pro-USA-Staaten innerhalb der EU gegen die französisch-deutsche Vorherrschaft. Selbstverständlich gibt es ebenfalls Widersprüche innerhalb der EU zwischen den armen und reichen Ländern; zwischen armen und reichen Regionen und zwischen den Armen und den Reichen.

Die EU war in der Lage, ihre Widersprüche und Konflikte mit Hilfe von Subventionen und Unterstützungspolitik, die sie anwendete, selber zu kontrollieren und auf ein gewisses Maß zu begrenzen. Deswegen gab es bisher keine ernsthaften Hindernisse, die dem Prozess des Integrationsprozesses, dem Wachsen und der Expansion der EU entgegenstünden. Aber die miserable Situation der Welt- und der EU-Ökonomie in den letzten Jahren; die massive Opposition, die sich als Antwort auf die neoliberalen Angriffe entwickelt; der US-Imperialismus, der seine Hegemonieposition in der Weltpolitik aufrechterhalten will und seine Schritte in diese Richtung verursachen, dass die nationalen Interessen im alten Europa wieder stark und lebendig zu Tage treten.

Der Krieg im Irak hat Europa im wahrsten Sinne des Wortes in zwei geteilt und von dem Konzept der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, über das soviel gesprochen wurde, nichts übrig gelassen. Es hat sich also herausgestellt, dass die EU als politische Integration nicht einmal ein bisschen vorangekommen ist.

Die EU-Länder konnten mit Mühe und Not einen Konsens für die Rohfassung der Verfassung erzielen. Das Ziel der EU war, mit der Annahme der Verfassung in eine neue Phase ihrer Entwicklung einzutreten: Am Ende dieses Prozesses sollte Europa seine ökonomi-sche und politische Integration abgeschlossen haben. Das bedeutet, dass in dieser oder jener Form die "Vereinigten Staaten von Europa" gegründet worden wären. Aber das ist nicht geschehen. Die Ablehnung der Verfassung durch die Völker in Frankreich und in den Niederlanden, die Streitereien zwischen den führenden Ländern Europas wie Deutschland, Frankreich und England auf den darauf folgenden Gipfeln haben dazu geführt, dass die Umsetzung des Europäischen Projektes vertagt werden musste.

Die USA lenken Großbritannien dahingehend, dafür zu sorgen, dass die EU eine Union von Nationalstaaten bleibt. Großbritannien sabotiert tatsächlich die Hegemoniepläne von Deutschland und Frankreich, und zwar mit seiner aktuellen, deutlichen Opposition. Der Premierminister Großbritanniens, T. Blair, formulierte dies in seiner Presseerklärung in folgenden Worten:

"Dies ist wichtig. Weil Europa sich in einer Strukturierung befindet, wobei Großbritan-nien Bündnisse aufbauen, sich zuhause fühlen kann; das ist ein Europa, in dem es keine herrschende Meinung gibt; das ist ein Europa, in dem es Flexibilität und Voranschreiten gibt".

"Keiner, der dieses Abkommen ernst nimmt, kann behaupten, dass es die Grundlage eines föderativen Superstaates bildet. Das ist ein neues Europa. Dieser Unterschied kann gefühlt werden, wenn man mit diesen neuen Staaten zusammenkommt. Es gibt einen Kampf um die Frage, wie das Europa der Zukunft gestaltet werden kann. Es gibt diejenigen, die die Steuern angleichen oder das Veto-Recht in der Innen- und Außenpolitik auf-heben wollen. Aber eine andere Situation ist eingetreten. Wir haben einen Bündnispartner gefunden, um zu garantieren, dass Europa als Europa von Nationalstaaten bestehen bleibt".

"Der gefundene Bündnispartner, um zu garantieren, dass Europa als Europa von Nationalstaaten bestehen bleibt", das war nichts anderes als die Unterstützung des US-Imperialismus und der ost- und mitteleuropäischen Länder, die sowohl Neumitglieder der EU als auch der NATO sind.

Damit hat T. Blair zum Ausdruck gebracht, dass sie (Großbritannien und die USA) die Zukunft Europas diktieren.

Blair betrachtet die Beteiligung Großbritan-niens an der Formierung der EU, am Projekt der EU als zwingend erforderlich und glaubt, dass er mit der Unterstützung der USA gegen die deutsch-französische Dominanz innerhalb der EU ankämpfen kann. Das heißt, dass er entschlossen ist, die EU in Form einer Freihan-delszone weiterzuentwickeln, die nicht im Widerspruch zur NATO oder den USA steht.

Darüber hinaus verfügt T. Blair noch über einen weiteren Trumpf in diesem Kampf: der Premierminister von Großbritannien beabsichtigt, die neuen EU-Mitglieder auf einem pro-amerikanischen Kurs zu organisieren und die EU mit ihrer Unterstützung neu zu formieren.

Blair geht von der Tatsache aus, dass diese neuen EU-Mitglieder, die ost- und mitteleuro-päischen Länder, die gleichzeitig NATO-Mitglieder sind, die gleiche Vision wie Großbritannien über die Zukunft der EU haben und entschlossen sind, ihre Unabhängigkeit innerhalb der EU zu wahren. Blair behauptet also, diese Länder hätten eine "Pflicht" den USA gegenüber; sie wären "sich bewusst, dass sie ihnen geholfen haben, ihre Freiheit zu erlangen" und sie würden diese Freundschaft und Zusammenarbeit in der EU fortsetzen. Derartige Behauptungen machen deutlich, dass die EU-Vision Großbritanniens eine organisierte Aktivität ist.

Es ist klar, dass die EU-Vision des Premierministers von Großbritannien, T. Blair, darin besteht, den Einfluss von Deutschland und Frankreich zu brechen und zu garantieren, dass die USA eine europäische Kraft bleiben und die EU als "demokratischer Brückenkopf" für ihre eurasische Geopolitik benutzen können.

Kurz gesagt: Das alte Europa, welches Schauplatz von Kriegen, Zerstörung, Aufständen und Revolutionen war, oder die EU, die einen Teil davon bildet, erlebt die tiefste politische Krise seit dem 2. Weltkrieg. Die Ablehnung der Verfassung in dem Referendum in Frankreich (Mai 2005) und in den Niederlanden (Juni 2005 das Fiasko des Finanzgipfels der EU, der ebenfalls im Juni 2005 stattfand; die Tatsache, dass viele EU-Länder die Annahme der Verfassung vorübergehend auf Eis gelegt haben und die Akzeptanz dessen auf dem EU-Gipfel; und schließlich die Streitereien zwischen den Regierungschefs, die auf dem Gipfel fast in gegenseitige "Beschimpfungen" ausgeartet sind, all dies gleicht nicht den heftigen Diskussionen, die bisher vorkamen. Die kürz-lich stattgefundenen gegenseitigen Beschul-digungsduelle zeigen, dass die EU sich in einer tiefen politischen Krise befindet. Wir sehen, dass das Projekt der Europäischen Union; das Projekt des Übergangs von einer ökonomi-schen Integration zu einer politischen Integration, auf das Hindernis der inter-imperialistischen Widersprüche gestoßen ist, es hat eine Sackgasse der Konkurrenz erreicht, die Ausdruck dieser Widersprüche ist.

Die genannte politische Krise hat gezeigt, dass die EU nicht so einfach über die ökonomische Integration hinaus gekommen ist und kommen kann.

Die EU ist auf "nationale" Interessen und nationalen Egoismus gestoßen.

Für das Ausbrechen dieser politischen Krise spielen viele Faktoren eine Rolle:

1. Die EU hat die finanziellen Möglich- keiten, die regionalen und sozialen Ungleich-heiten zwischen den Mitgliederstaaten bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. Aber dies wird von der Globalisierung behindert. Das Kapital der Länder der EU ist nicht mehr in der Lage, sich die Ausgaben für die Agrarsubventionen, regionale Fonds und einige andere Subventionen zu leisten, um global gesehen mit anderen Ländern konkurrieren zu können, die niedrigere Löhne anbieten und weniger Steuern verlangen. Das umfasst auch die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme wie Rente, Gesundheits-versorgung etc. Aus diesem Grund betrachtet der Premierminister Großbritanniens, T. Blair, die Agrarsubventionen als töricht. Denn 40% des EU-Haushaltes wird für Agrarsub- ventionen ausgegeben.

Aber dennoch ist es nicht leicht, diese Ausgaben abzuschaffen. Die soziale und politische Struktur, die in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurde, und die mit großer Vorsicht ausbalanciert wurde, ist ohne diese Ausgaben zum Zusammenbruch verurteilt. Die Zerstörung, oder die Schritte, die zur Zerstörung führen können, werden nicht nur eine nationale politische Krise auslösen, sondern auch die nationalen Interessen der EU-Länder miteinander in Konflikt bringen und in diesem Sinne wird es die Konkurrenz unter den Ländern innerhalb der EU verschärfen. Der Streit zwischen Deutschland und Frankreich und Großbritannien ist eine klare Widerspiegelung genau dieser Situation. Wie die letzten Entwicklungen in der EU gezeigt haben, zögern die Länder und ihre Regierungen, die immer das vereinte Europa preisen, keinen Augenblick davor, ihr wahres Gesicht zu zeigen, wenn die Probleme die nationalen Interessen berühren.

2. Der Druck, den der US-Imperialismus mit jedem Tag stärker ausübt, ist ein anderer Grund für die politische Krise. Seit dem Irakkrieg setzt der US-Imperialismus seinen Einfluss, den er auf die EU hat, intensiv ein, um zu verhindern, dass die Union, die seine Welthegemonie nicht unterstützt, sich zu einer Konkurrentin in der internationalen Arena entwickelt. Die Bemühungen des US-Imperia-lismus waren erfolgreich und es scheint, dass er sein Ziel erreicht hat. Die USA haben die Angelegenheit des "alten" und des "neuen" Europas erneut auf die Tagesordnung gebracht und die EU-Mitglieder aus Ost- und Mitteleuropa, die als "neues" Europa bezeichnet werden, zusammen mit einigen Ländern des "alten" Europas ins Schlepptau genommen; sie haben die EU anhand des Irakkrieges in zwei geteilt.

Der US-Verteidigungsminister, Donald Rumsfeld brachte die Kluft, den Widerspruch zwischen den USA und der EU; zwischen dem USA- und Großbritannien-Duo und dem Deutschland-Frankreich-Duo, die aufgrund des imperialistischen Krieges oder der Opposition zu den US-Kriegsplänen ausbrach und seit dem ersten Golfkrieg 1991 immer deutlicher geworden ist, zur Sprache. Auf die Frage eines Journalisten hin erklärte Rumsfeld: "Wenn man Europa sagt, denkt man an Deutschland oder Frankreich. Aber ich denke nicht so. Das ist das alte Europa. Guckt euch die vielen anderen Länder Europas an, sie sind in diesem Punkt nicht mit Frankreich und Deutschland einverstanden. Sie unterstützen die USA."

Die USA haben ihre Verbündeten bis jetzt nie so scharf und unverblümt angegriffen und sie haben die Union Europas im Rahmen der EU nie als fragwürdig betrachtet oder hingestellt.

Der US-Imperialismus hat sein Ziel zum Ausdruck gebracht, in Europa ein Einfluss-gebiet unter seiner Kontrolle zu schaffen, das in Opposition zu Deutschland und Frankreich stünde.

Es gab hier nicht viele Alternativen für die deutsche und französische Monopolbour-geoisie: Entweder mussten sie sich den Forderungen der USA unterwerfen und somit akzeptieren, dass die EU offen zu einem Protektorat des US-Imperialismus wird, oder sie mussten sich wie ein "Prahlhans" verhalten und hätten so gezeigt, dass sie angeblich gegen die USA sind. Aus diesem Dilemma konnte die Monopolbourgeoisie der EU-Länder; in erster Linie die deutsche und die französische Monopolbourgeoisie, sich nicht retten.

Großbritannien stellt sich bei dem Widerspruch zwischen den USA und der EU auf die Seite der USA. Dieses Land hat sich innerhalb der EU als Partner des US-Imperialismus gegen Deutschland und Frankreich verhalten und verhält sich nach wie vor so.

Ein weiterer Grund, weswegen die Länder Zentral- und Osteuropas die Partie der USA ergreifen, ist, dass sie der deutsch-französi-schen Dominanz und der Achse Frankreich-Deutschland-Russland skeptisch gegenüber stehen.

Die Bedeutung dieses Dilemmas der EU ist mit der Zeit weder geringer geworden noch verschwunden. Ganz im Gegenteil, es führte dazu, dass die Stimmen, die dafür eintreten, sich auf die Seite der USA zu stellen, im "alten" Europa laut wurden.

Deutschland und Frankreich haben mittlerweile einsehen müssen, dass ihr vorhandenes Potential in keinster Weise ausreichend dafür ist, mit dem US-Imperialismus in Europa oder auf internationaler Ebene zu konkurrieren und dass man auf Europa als Macht nicht vertrauen kann. Also mussten sie ihre Absicht, die USA ernsthaft herauszufordern, vertagen.

3. Die gesellschaftliche Opposition, die sich in den letzten Jahren gegen den imperialisti-schen Krieg und die neoliberalen Angriffe formiert hat, und teilweise ihren Ausdruck in Hunderttausenden und Millionen Menschen fand, muss als einer der wichtigsten Gründe für das Ausbrechen der politischen Krise der EU betrachtet werden.

Die weltweite Bewegung gegen die imperialistische Globalisierung organisierte sich in Europa im Europäischen Sozialforum und erreichte im Februar 2003 ihren Höhepunkt mit den Demonstrationen zur Verhinderung des imperialistischen Krieges im Irak. Millionen gingen auf die Straße, um gegen den Krieg und gleichzeitig gegen die neoliberalen Angriffe zu protestieren. In einigen europäischen Ländern versuchten die Regierungen, die Opposition der Millionen gegen den Krieg für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Führend dabei waren Deutschland und Frankreich, die erklärten, sie seien gegen die US-Aggression gegen den Irak. In diesen Ländern lehnten die Regierungen der Monopolbourgeoisie den Krieg aufgrund der Interessen ihres Kapitals ab und haben es geschafft, sich die Antikriegsbewegung zu Nutze zu machen. Für den wiederholten Wahlsieg der rot-grünen Koalition 2002 in Deutschland z.B. hat es eine große Rolle gespielt, dass sie vorgaben, gegen den Krieg zu sein.

Aber der Grund, aus dem die Massen in diesen Ländern auf die Straße gingen, um gegen den Krieg zu protestieren, war nicht etwa, dass sie dachten, "unsere Regierungen sind gegen den Krieg, lasst uns also auf die Straße gehen und auch gegen den Krieg protestieren". Ihre Beweggründe gegen den Krieg und die der Regierungen waren grundverschieden: Die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen protestierten gegen den Krieg und den Militarismus, die den Interessen des Monopolkapitals dienen, während die Regie-rungen aus dem Motiv heraus, ihre eigenen Interessen gegenüber den USA zu verteidigen, gegen den imperialistischen Krieg waren.

Die Hauptpolitik der Monopolbourgeoisie der letzten Jahre in Europa heißt chronische Massenarbeitslosigkeit, Umsetzung der neoli-beralen Politik, die für die Interessen des Monopolkapitals vorbereitet wurde, Abbau erkämpfter sozialer Rechte in Bereichen wie Rente, Gesundheit, Bildung etc. und Flexibilisierung der Arbeit. All das hat dazu geführt, dass Millionen auf die Straßen gingen.

Dieser Widerspruch zwischen der Arbeiter-klasse und den werktätigen Massen einerseits und der Bourgeoisie andererseits wurde zum Hauptfaktor bei der Herausbildung des gesellschaftlichen und politischen Lebens dieser Länder. Aus diesem Grund spielte die Tatsache, dass die Massen in Frankreich gegen die neoliberale Politik und die Angriffe waren, eine wichtige Rolle für die Ablehnung der Verfassung: das heißt, dass die Mehrheit der Wähler in Frankreich nicht nur "nein" zur Verfassung sagte, weil es die Verfassung der Monopole ist. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die neoliberale Politik, die neoliberalen Angriffe, die sich in dem Kahlschlag der demokratischen, ökonomischen und sozialen Rechte insgesamt widerspiegeln, eine bestimmende Rolle bei der Ablehnung der Verfassung gespielt haben.

Die Ergebnisse der Referenden waren Ausdruck von dem Misstrauen in die Regie-rungen dieser Länder. In einigen EU-Ländern wurde der Prozess der Bestätigung der Verfassung eingefroren, um zu verhindern, dass die Krise, die im Zusammenhang mit der Bestätigung der Verfassung in einigen Ländern ausgebrochen war, auf andere Länder überspringt.

So sollte die Ablehnung der EU-Verfassung in diesem Land nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass die breiten Massen verstanden haben, dass die Verfassung antidemokratisch ist. Das Gleiche gilt auch für die Niederlande. Dort haben die neoliberale Politik und die Angriffe im Land und in Europa ebenfalls eine große Rolle für die Ablehnung der Verfassung gespielt. In Deutschland musste die Regierung vorgezogene Wahlen abhalten.

Aufgrund der genannten Gründe brach in Frankreich infolge der Ablehnung der EU-Verfassung eine politische Krise aus. Die Gründe für die politische Krise, die in Deutschland ausbrach, waren dieselben.

In Frankreich, das keine andere Wahl hat als die neoliberale Politik durchzusetzen, um sich unter den Bedingungen der imperialistischen Globalisierung auf den Weltmärkten behaup-ten zu können, bereitet die französische Monopolbourgeoisie N. Sarkozy, ein Anhänger des neoliberalen, pro-US-Kurses, als Nachfol-ger für den Präsidenten Jacques Chirac vor.

In Deutschland hat der sozialdemokrati-sche Flügel der Koalition vor den Wahlen betont, dass er entschlossen sei, die Agenda 2010 fortzusetzen und dass es notwendig sei, die neoliberale Politik entschlossen durch-zusetzen, damit Deutschland sich auf den Weltmärkten behaupten könne.

4. Der Widerspruch zwischen dem kontinentalen Europa und Großbritannien ist eine der Ursachen der politischen Krise der EU. T. Blair, der die Entwicklungen im kontinentalen Europa beobachtet, plant, sich die politische Krise in diesen Ländern und in Europa allgemein zu nutze zu machen, um die EU und darüber hinaus ganz Europa nach dem briti-schen Modell zu gestalten. Immerhin hat er eine Möglichkeit: die EU-Ratspräsidentschaft. In der Rede, die er während der Amtsüber-nahme vor dem Europäischen Parlament hielt, sprach Blair davon, Europa zu "mo-dernisieren". Blair zur Folge muss ein neues soziales Modell entwickelt werden - zweifelsohne dem britischen Modell entsprechend- und mithilfe dieses Modells "muss die Konkurrenzfähigkeit der EU verbessert werden" und die EU "muss sich von einigen überflüssigen Bestimmungen trennen, sie muss die Bürokratie verringern und ein globales Europa fördern, ein Europa, das weltoffen und wettbewerbsfähig ist". Im Folgenden kam Blair auf den Kernpunkt zu sprechen: Die EU darf nicht mit den USA konkurrieren, im Gegenteil, es sollte "ein aktiver Faktor in der Außenpolitik sein", ein "guter Partner" der USA zu sein.

Das von Blair vorgeschlagene Modell ist das, welches in Großbritannien in Kraft ist. Die Löhne sind dort ziemlich niedrig. Über ein Drittel der Haushalte fallen in die Kategorie derjenigen, die nicht von ihrem Lohn leben können, obwohl sie einen Job haben und arbeiten. Das bedeutet, dass sie arm sind. Dieses Land hat die längsten Arbeitszeiten in Europa. Dort sind über 25% der Kinder in die Kategorie arm einzuordnen, was der höchste Prozentsatz für entwickelte Länder ist. Aber es ist eines der Länder Europas, wo die Gewerbesteuern am niedrigsten sind und die indirekten Steuern trotzdem am höchsten.

Im kontinentalen Europa ist man nicht aufgrund des sozialen Modells, welches Blair vorgeschlagen hat, gegen ihn. Mit den neoli-beralen Angriffen, die in Deutschland und Frankreich auf der Tagesordnung sind, soll der Neoliberalismus umgesetzt werden, der in Großbritannien schon seit 1980 praktiziert wird. Die kontinentalen Länder Europas imitieren Großbritannien diesbezüglich fast. Ihre Hauptdifferenz liegt im Bereich der Außen-politik. Deutschland und Frankreich sind für die Entwicklung der EU als politische Integration und die Entwicklung einer gemeinsamen Außenpolitik, um mit den USA konkurrieren zu können. Blair steht für genau das Gegenteil: Er will, dass die EU ein "aktiver Partner" der Außenpolitik der USA wird.

Mit anderen Worten, Blair bereitet die Bedingungen für eine Debatte über die Zukunft der EU vor. Die Entwicklungen und die Haltung der Mitgliedsstaaten zeigen, dass es an der Zeit ist, eine konkrete Antwort auf die Frage "Was für eine EU wollen wir?" zu geben. Wir sind bereits auf einige Gründe der aktuellen politischen Krise eingegangen. Fast alle diese Gründe hängen mit der Zukunft der EU zusammen und deshalb hat die Krise ihren Ursprung in den Meinungen über die Zukunft der EU. In Folge dieser Meinungen über ihre Zukunft wurde die EU in zwei gespalten:

- Auf der einen Seite stehen die Länder, die wollen, dass die EU eine ökonomische Integration bleibt (in erster Linie Großbritan-nien).

- Auf der anderen Seite wiederum stehen die Länder, die wollen, dass die EU sich zu einer politischen Union entwickelt (in erster Linie das Duo Deutschland-Frankreich).

Das britische Monopolkapital erklärt mittels der Worte von Blair, was für eine EU es haben will: Die EU muss eine wirtschaftliche Union bleiben, als Partner der USA. T. Blair hat in diesem Punkt die unmittelbare Unterstüt-zung des US-Imperialismus.

Das Duo Deutschland-Frankreich steht für die Entwicklung der EU als politische Union. Das deutsche und das französische Monopol-kapital wissen nur allzu gut, dass sie nicht in der Lage sind, allein für die Welthegemonie zu kämpfen, dass sie die Neuaufteilung der Welt nicht auf eigene Faust einfordern können und dass sie ihr politisches, ökonomisches und militärisches Potential vereinigen müssen. Aus all diesen Gründen verlangen sie die Bildung einer politischen Union, denn ihre Relevanz für die Umsetzung der Beschlüsse ist entscheidend.

So wie sie ihre ökonomischen und finanziellen Krisen bis heute gelöst hat, kann die EU auch ihre aktuelle Finanzkrise lösen. Aber ihre politische Krise, die im Zusammen-hang mit der Verfassung auf die Tagesordnung kam und die sich direkt auf die Zukunft der EU auswirkt, kann sie nicht so einfach lösen. Diese Krise rührt von den Meinungen über die Zukunft der EU her, von der Frage "Was für eine EU". Es gibt zwei Wege, um diese Krise zu überwinden:

Die EU-Länder

-können entweder nach der Meinung Großbritanniens handeln und indessen die Unterstützung der USA erhalten und auf diese Weise beschließen, dass die EU eine ökonomi-sche Integration bleibt,

-oder sie verhalten sich nach der Meinung von Deutschland und Frankreich und unternehmen Schritte zur Umwandlung der EU in eine politische Union.

In jedem Fall wird sich die Entwicklung der EU nach dieser Krise von ihrer Entwicklung bis heute unterscheiden. Denn als ökonomi-sche Integration hat die EU die Grenzen ihrer Entwicklung erreicht. Aus diesem Grund verfügt die EU nicht mehr über sehr viele Möglichkeiten, sich als ökonomische Union zu erneuern. Die Entwicklung von jetzt an heißt, über ihre aktuellen Grenzen hinauszutreten. Sie kann sich nur erneuern, indem sie Schritte zur Erlangung der politischen Union unter-nimmt.

Zusammenfassend:

Die Entwicklungen im Rahmen der EU zeigen, dass die Sache ernst wird. Es ist deutlich, dass die EU, die im Rahmen der momentanen Integration bisher in der Lage war, ihre Probleme zu lösen und sich auszuweiten, an einem Scheideweg angelangt ist: Entweder unternimmt sie Schritte, um die politische Integration zu erlangen oder die EU bleibt eine rein ökonomische Integration.

Politische Integration im Kapitalismus bedeutet, dass diejenigen, die sich zusammentun wollen, ihre nationale Besonderheiten und ihre nationalen Interessen zwangsläufig aufgeben und sich auf der Grundlage so genannter "gemeinsamer Werte" vereinigen.

In einer derartigen Vereinigung sind die "gemeinsamen Werte" die Werte des Stärkeren.

Es ist klar ersichtlich, dass die EU in einen Prozess eingetreten ist, der sie mit ihrer eigenen Realität konfrontiert.

Ist die EU eine politische Union oder ist es möglich, die "Vereinten Staaten von Europa" zu gründen?

Um diese Frage beantworten zu können, muss festgestellt werden, um wessen EU es sich handelt und welcher Zweck mit ihr ver-folgt wird.

Die EU ist allen voran die EU der Monopole: Was die Bourgeoisie unter Freiheit versteht, ist die Freiheit des Kapitals (Wertpapiere einbegriffen). Die EU wurde also geschaffen, um die freie Bewegung des Kapitals, der Monopole und ihr Wachstum zu gewährleisten und ihre Expansion bedeutet Wachstum und Expansion des Kapitals, der Monopole. Die Rede ist hier nicht etwa von EU-eigenen Monopolen und Kapital, die nicht mehr national wären. EU heißt Freiheit für das Kapital und die Monopole der Mitglieds- länder. In diesem Sinne ist die EU die EU des Kapitals und der Monopole der EU-Mitglieder.

Den Angaben des Jahres 1999 zufolge gibt es unter den 200 größten Monopolen der Welt 68 Monopole, die ihren Hauptsitz in der EU haben. Zusammen mit den Schweizer Monopolen steigt ihre Zahl auf 74. Keines von ihnen ist ein EU-Monopol; keines von ihnen hat die Eigenschaft, ein EU-Monopol zu sein. Es sind nationale Monopole, die ihren Hauptsitz in der EU oder der Schweiz haben. Ihr Name verrät schon alles: Es sind 22 deutsche, 17 französische, 10 britische, 6 niederländische, 6 italienische, 3 spanische Monopole und jeweils ein luxemburgisches und ein schwedisches Monopol. Und die EU ist die EU dieser Monopole. In diesem Rahmen ist die EU Freiheit für das nationale Kapital und die Monopole auf der Grundlage der Mitgliederstaaten.

EU heißt freie Warenzirkulation: Für die Gewährleistung der freien Warenzirkulation müssen Grenzen und Zölle abgebaut werden. Hauptsächlich ist hier die Rede von der freien Zirkulation der Monopolprodukte. Aus diesem Grund ist die EU eine Integration, die die freie Warenzirkulation der Monopolpro-dukte garantiert. Aus diesem Grund heißt EU nichts anderes als Warenzirkulation für die internationalen Monopole, für das Monopol-kapital.

EU bedeutet freier Verkehr von Dienstleistungen: Hier geht es um die Beseitigung nationaler Grenzen oder Beschränkungen und die Gewährleistung freier Bank- und Versicherungsaktivitäten der Monopole in diesem Bereich. Aus diesem Grund ist die EU die EU der Monopolbanken, der großen Banken und Versicherungsfonds.

EU bedeutet "freier" Verkehr von Personen: Der EU zufolge können die EU-Bürger sich ohne Pass frei innerhalb der EU-Länder bewegen. Aber wenn es bei einigen Demonstratio-nen darum geht, die Grenzen zu überqueren, sehen wir, dass das nicht immer so ist. Es ist eine Tatsache, dass die Reisefreiheit außer Kraft gesetzt wird, um die freie Bewegung der Demonstranten zu verhindern.

Was die EU unter Reisefreiheit versteht, ist die Einwanderung billiger Arbeitskräfte aus anderen Ländern, womit Immigration aus Ländern, in denen Arbeitskraft billig ist, in die Länder, in denen Arbeitskraft "teuer" ist, gemeint ist. In diesem Sinne bedeutet EU freier Verkehr von billiger Arbeitskraft.

Im Kommunistischen Manifest sagten Marx und Engels: "Was unter Freiheit- im Rahmen der existierenden Produktionsverhältnisse- zu verstehen ist, ist der freie Handel, der freie Kauf und Verkauf". EU bedeutet nichts anderes als diese Freiheit für das Monopolka-pital.

Es besteht kein Zweifel, dass so eine EU nicht die EU der Arbeiter- und werktätigen Massen sein kann. Die heutige EU kann nur die EU des Monopolkapitals, der monopolistischen Bourgeoisie sein. In diesem Sinne ist es für beide Klassen möglich, die "Vereinigten Staaten von Europa" zu gründen. Die Diskus-sionen darüber sind nicht neu. Aber um das Thema im Rahmen der "Vereinigten Staaten von Europa" zu diskutieren und eine richtige Auswertung machen zu können, darf die Tatsache nicht vergessen werden, dass die heutige EU immer noch eine ökonomische Integration ist.

Die Bourgeoisie wird es sich nicht nehmen lassen, die "Vereinigten Staaten von Europa" zu bilden, wenn es ihren Interessen entspricht. Genau so schuf sie 1957 mit der Europäischen Gemeinschaft das Fundament für die heutige EU, weil sie der Meinung war, es diene ihren Interessen. Die Geschichte der EU hat bewiesen, dass solch eine ökonomische Integration, wie sie heute besteht, durch das Zusammenkommen der daran interessierten Länder erreicht werden kann. Eine solche ökonomische Integration hat keinen dauerhaften Charakter. Aber ihre Mitglieder können sie erweitern, können das Leben einer solchen Integration verlängern, wenn es ihren Interessen entspricht, aber es ist unmöglich für sie, sich als politische Union zu entwickeln; einen vereinigten Staat unter "friedlichen" Bedingungen zu schaffen.

Wie Lenin in seinem Artikel "Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa" betonte: "Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäi-schen Kapitalisten" (Lenin, Bd. 21, S. 345)

Lenin erklärte die Ursachen der Gründung eines solchen Staates zu jener Zeit wie folgt: "(...) worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam den Sozialismus in Europa unterdrücken, gemeinsam die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte, die durch die jetzige Aufteilung der Kolonien im höchsten Grade benachteiligt und die im letzten halben Jahrhundert unvergleichlich rascher erstarkt sind als das rückständige, monarchistische, von Altersfäule befallene Europa. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet Europa im ganzen genommen ökonomischen Stillstand. Auf der heutigen ökonomischen Basis, d.h. unter kapitalistischen Verhältnissen, würden die Vereinigten Staaten von Europa die Organisation der Reaktion zur Hemmung der rascheren Entwicklung Amerikas bedeuten." (Lenin; ebenda)

Heute haben sich die Gründe für die Bildung eines solchen Staates geändert: Deutschland und Frankreich, die für die Entwicklung der EU als eine politische Integration stehen, wollen dies nicht um "gemeinsam den Sozialismus in Europa zu unterdrücken". Die objektiven Gründe für so einen Hang existieren momentan nicht. Aber sie denken, dass sie "bei der jetzigen Aufteilung der Kolonien benachteiligt wurden" und wollen "erbeutete Kolonien gegen Amerika gemeinsam schützen"; so wollen sie also die Entwicklung der EU als politische Integration, um die Welt mit dem US-Imperialismus und den anderen Hegemonie-kräften neu aufzuteilen, um in der Konkurrenz stärker zu sein, um auf dem Weltmarkt den größten Anteil zu bekommen.

Ist so eine Entwicklung unter friedlichen Bedingungen möglich? Können die anderen Mitglieder der EU die Interessen des Duos Deutschland-Frankreich akzeptieren und auf ihre eigene, nationale Identität verzichten? Noch wichtiger; kann das Duo (Deutschland und Frankreich) friedlich miteinander verschmelzen? Das heißt, dass das deutsche und französische Kapital ihre Identität als deutsches und französisches Kapital aufgeben und zu einem Kapital werden, das eine bestimmte Integrität, einen bestimmten Willen vertritt. Auf jeden Fall ist es unvermeidbar, bei der Bildung der EU als politische Union Gewalt anzuwenden. In seinem bereits genannten Artikel sagte Lenin zu diesem Thema:

"Vereinigte Staaten von Europa sind unter kapitalistischen Verhältnissen gleichbedeutend mit dem Übereinkommen über die Teilung der Kolonien. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist jedoch jede andere Basis, jedes andere Prinzip der Teilung als das der Macht unmöglich. ... Kapitalismus bedeutet Privateigentum an den Produktionsmitteln und Anarchie der Produktion. Auf solcher Basis eine "gerechte" Verteilung des Einkommens zu predigen ist Proudhonismus, ist kleinbürgerlicher, philiströser Stumpfsinn.

Es kann nicht anders geteilt werden als "entsprechend der Macht". Die Machtverhält-nisse ändern sich aber mit dem Gang der ökonomischen Entwicklung' Um die tatsächliche Macht eines kapitalistischen Staates zu prüfen, gibt es kein anderes Mittel und kann es kein anderes Mittel geben als den Krieg. Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar. Unter dem Kapitalismus ist ein gleichmäßiges Wachstum in der ökonomischen Entwicklung einzelner Wirtschaften und einzelner Staaten unmöglich. Unter dem Kapitalismus gibt es keine anderen Mittel, das gestörte Gleichge-wicht von Zeit zu Zeit wieder herzustellen, als Krisen in der Industrie und Kriege in der Politik". (Lenin, Bd. 21, S. 344/345)

Die EU garantiert nicht, dass sich das Kräftegleichgewicht zwischen ihren Mitglie-derstaaten verändern wird. Sie hat weder so ein Ziel noch wäre das möglich. Ungleiche Entwicklung ist unter kapitalistischen Bedingungen die Grundlage und das unvermeidbare Resultat der ungleichen Entwick-lung ist, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen den kapitalistischen Ländern fortwährend verändert. In diesem Sinne kann sich das Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Ländern der EU von heute bereits morgen ändern und es wird keinen anderen Weg als Gewalt geben, um ein neues Gleichgewicht herzustellen.

Kurz gesagt, damit die EU zu einem politi-schen Willen wird und sich in die "Vereinigten Staaten von Europa" verwandelt, müssten Deutschland und Frankreich zuerst Gewalt gegen die anderen Mitglieder anwenden und dann gegeneinander. Dies ist eine Tatsache.

Oder, wie Lenin sagt: "Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialis-mus, d.h. des Kapitalexports und der Auftei-lung der Welt durch die "fortgeschrittenen" und "zivilisierten" Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär." (S. 343)

Die tatsächliche, objektive Situation ist folgendermaßen:

Die EU expandiert und wird als ökonomi-sche Integration stärker, aber das Kapital innerhalb der EU bleibt national.

Seit ihrer Gründung gab es nie auch nur ein einziges europäisches Monopol. Sie hat eine Verfassung, obwohl sie noch nicht von all ihren Mitgliedern angenommen wurde. Sie hat gesetzliche Bestimmungen für fast jeden Bereich. Fast jedes Hindernis für die freie Bewegung des Kapitals wurde aus dem Weg geräumt. Die inneren Grenzen wurden abgebaut. Somit sind viele Dinge, über die vorher der Nationalstaat verfügt hat, heute auf Brüssel übergegangen. Die Kapitale und die Monopole sind jedoch immer noch national. Die Kapitale und Monopole gehören zu ihren jeweiligen Ländern und haben ihre nationale Eigenschaft noch nicht verloren, um zu EU-Kapitalen und EU-Monopolen zu verschmelzen. Aus diesem Grund ist die EU eine Vereinigung, ein ökonomisches Integrations-modell, wo die Grundkapitale/Monopole national bleiben.

Aufgrund dieser Besonderheit der EU stehen ihre Strategen und Geopolitiker vor einer wichtigen Frage. Diese Frage rührt her von den Überbau-Basis-Verhältnissen; von der ökonomischen Basis und dieser Basis entsprechenden unterschiedlichen politischen Überbau-Staaten. Zwischen Basis und Überbau gibt es einen dialektischen Zusammen-hang. Dem zufolge: Damit es einen EU-Überbau, einen EU-Staat geben kann, muss ein EU-Kapital, eine ökonomische EU-Basis vorhanden sein. Das heißt, dass die EU-Basis gezwungen ist, einen ihr entsprechenden EU-Überbau zu entwickeln. Das ist das, was nicht vorhanden ist. Im ganzen EU-Überbau, in den EU-Institutionen, so wie sie bestehen, gibt es eine erbarmungslose Konkurrenz für nationale Staatsinteressen. In dieser Konkurrenz setzt sich der Stärkste durch. Aus diesem Grund befindet sich die EU in einer Integrationssitua-tion, in der hauptsächlich für die nationalen Staatsinteressen und für die nationalen Kapital-/Monopolinteressen eine heftige Kon-kurrenz geführt wird und sie nur durch Kompromisse ihre Existenz bewahrt.

Die EU ist ein Integrationsprozess, der sich seit ihrer Gründung als Europäische Gemein-schaft entwickelt. Ihre aktuelle Situation zeigt das Entwicklungsstadium, das sie erreicht hat. Diese ihre Situation zeigt, dass die "Vereinigten Staaten von Europa" auf der Grundlage kapitalistischer Beziehungen nur mit dem Einsatz von Gewalt und durch Krieg errichtet werden können. Keines der EU-Länder würde die "Vereinigten Staaten von Europa" gerne unter der Hegemonie Frankreichs oder Deutsch-lands gründen, also französisch oder deutsch werden.

Wir sollten erwarten, dass Frankreich deutsch wird oder Deutschland französisch, damit die EU auf der Grundlage des Duos Frankreich-Deutschland zu den "Vereinigten Staaten von Europa" wird. Und dies kann nur durch den Einsatz von Gewalt möglich werden, was eine direkte Folge der ungleichen Entwicklung im Kapitalismus ist.

Alle Möglichkeiten und die Realität des Kapitalismus weisen darauf hin, dass der kürzeste Weg zur Verwandlung der EU in die "Vereinigten Staaten von Europa" Krieg ist.

Die Zeitspanne von ihrer Gründung bis heute zeigt, wie realitätsfremd die Meinung über das Vorwärtsschreiten der EU zu einer politischen Integration ist.

Die Erwartungen, die von der bisherigen Entwicklung der EU abhängen und von Reformisten und Liberalen verbreitet werden, sind ebenfalls Illusionen. Es ist sinnvoll, diesen Punkt zu klären:

"Ultraimperialismus" (Kautsky):

"(...) ob es nicht möglich sei, dass die jetzige imperialistische Politik durch eine neue, ultraimperialistische verdrängt werde, die an Stelle des Kampfes der nationalen Finanzkapitale untereinander die gemeinsame Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital setzte. Eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar. Ob auch realisierbar, das zu entscheiden fehlen noch die genügenden Voraussetzungen." (bei: Lenin, Bd. 22, S. 299)

Lenin:

"Denn unter dem Kapitalismus ist für die Aufteilung der Interessen- und Einflusssphä-ren, der Kolonien usw. eine andere Grundlage als die Stärke der daran Beteiligten, ihre allgemeinwirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Stärke, nicht denkbar. Die Stärke der Beteiligten aber ändert sich ungleichmäßig, denn eine gleichmäßige Entwicklung der einzelnen Unternehmungen. Trusts, Indus- triezweige und Länder kann es unter dem Kapitalismus nicht geben'

"Interimperialistische" oder "ultraimperia-listische" Bündnisse sind daher in der kapita-listischen Wirklichkeit, und nicht in der banalen Spießerphantasie 'des deutschen "Marxisten" Kautsky, notwendigerweise nur "Atempausen" zwischen Kriegen - gleichviel, in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden, ob in der Form einer imperialistischen Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in der Form eines allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbe-ziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik." (Lenin, "Der Imperialismus'", Bd. 22, S. 299-301).

Kautsky zufolge, "eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar". Danach fährt er wie folgt fort: "Ob auch realisierbar, das zu entscheiden fehlen noch die genügenden Voraussetzungen."

Dies trat nicht ein: der "Ultraimperialismus" war nicht in der Lage, die "gemeinsame Ausbeutung der Welt" zu organisieren mit seinem "international verbündeten Finanzka-pital". Das Gegenteil davon trat ein, so wie Lenin es vorher gesagt hatte; ungleiche Entwicklung und Konkurrenz führten zu Krieg.

Und heute wird die EU im Rahmen von Erwartungen á la Kautsky als Gegenpol zum "aggressiven US-Imperialismus", dem US-Militarismus betrachtet. Aber die EU entwickelt sich nicht á la Kautsky, es geht nicht in die Richtung, die er vorhersah. Konkurrenz und ungleiche Entwicklung unterhöhlen die momentane Integration.

Zusammenfassend:

Der US-Imperialismus agiert auf der Grundlage "nationaler" Interessen und entwickelt Geopolitik für diese Interessen.

Im Gegensatz dazu gibt es keinen EU-Imperialismus; aber es gibt die imperialisti-schen Länder der EU; es gibt die "nationalen" Interessen, die im Rahmen der EU-Integration miteinander konkurrieren.

Das ist der Unterschied, der zwischen ihnen besteht.

Die Beziehung zwischen der Türkei und der EU oder unter welchen Bedingungen die Türkei Mitglied der EU werden kann und unter welchen nicht

Über die Frage der Türkei-Mitgliedschaft in der EU hat die EU sich in zwei gespalten: In die, die für die Vollmitgliedschaft der Türkei sind und jene, die dafür eintreten, dass sie ein "privilegierter Partner" wird. Die grundlegen-de Haltung derjenigen, die ihre Mitgliedschaft unterstützen, wurde von dem damaligen deutschen Außenminister Fischer sehr deutlich formuliert:

Die EU muss eine gewisse oder unverzichtbare Größe erreichen, um die "verantwort-liche" Supermacht des Weltsystems zu sein. Die Türkei steht vor der Aufgabe, der EU dabei behilflich zu sein, eine solche Macht zu werden. Der damalige Außenminister Deutsch-lands, Fischer, erklärt, warum die Türkei Mitglied der EU werden muss:

"(') Die Einheit Europas hat eine strategi-sche Dimension. Hierbei ist eine Türkei, die den europäischen Standards entspricht, ebenso wichtig wie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU". (J. Fischer, "Berliner Zeitung", 28.02.2004)

Fischer fährt folgendermaßen fort: "Wir müssen die Globalisierung politisch gestalten. Die asymmetrischen Konflikte zu kontrollieren und sie, soweit es möglich ist, zu lösen, ist nur dann möglich, wenn wir in kontinentalem Maßstab handeln. Russland, Indien und natürlich die USA haben die nötige Größe. Das Problem für uns, die Europäer, ist: Können wir uns soweit vereinigen, dass wir ein bestimmendes Gewicht haben? Die Diskussion über die Türkei müssen wir mit dieser Perspektive betrachten".

Die Interessen des deutschen Imperialis-mus berücksichtigend spricht Fischer über die "strategische Dimension", die die EU haben sollte. Er sagt, dass die EU oder Europa in "kontinentalem Maßstab" handeln sollte, um Politik auf Weltebene machen zu können. Er sagt, dass Europa die gleiche Größe wie die USA haben muss.

Dem ehemaligen deutschen Außenminis-ter nach sollte die EU nicht die sein, die der Globalisierung "unterworfen" ist, sondern muss im Gegenteil die Kraft sein, die die "Globalisierung gestalte". Auf diese Weise drückt Fischer das Problem aus, vor dem die EU steht: Die Neuaufteilung der Welt, die Eroberung des größten Anteils an den Weltmärkten und Konkurrenz gegen den stärksten Widersacher.

Fischer zufolge muss die Türkei der EU helfen, eine solche Macht zu sein und ihren "strategischen Prozess" umzusetzen. Und sie verlangen gar nicht so viel von der Türkei! Sie wollen lediglich, dass sie ihre strategische Lage dem möglichen geopolitischen Aspekt der EU unterwirft; diejenigen, die "kontinent-umfassende" Akteure sein wollen, sagen: Die Türkei liegt wie eine Brücke zwischen Europa und verschiedenen "Konfliktobjekten"; das heißt, dass die Türkei sich im Zentrum des Dreiecks, bestehend aus dem Balkan, dem Mittleren Osten und dem Kaukasus, befindet. Die Türkei ist eine "Brücke" zwischen Europa und der "islamischen Welt".

Die EU will sich über die Türkei einen Zugang zum Mittleren Osten, dem Kaukasus und in die Tiefe von Zentralasien verschaffen. Sie will diese Regionen, die so bedeutend sind, und derer wegen Krieg zu führen ist, ausplündern und beherrschen zu können, nicht ihren Konkurrenten wie den USA, Russland und China überlassen. Aus diesem Grund erklärt sie, die Türkei sei ein "Modellland" für die Länder des Mittleren Ostens.

Die Bedeutung dieses Konzeptes ist folgende: Die EU will sich in die lokalen "ethnischen Probleme" und "Konfliktobjekte" in dem genannten Dreieck einmischen, um mit dem US-Imperialismus um die Welthegemonie zu konkurrieren und, genau wie die USA es tun, will sie die strategische Lage, die der Region in dem Hegemoniekampf zukommt, nutzen und natürlich die Energieressourcen des Gebietes kontrollieren. Um dies alles tun zu können, will die EU die Türkei, die eine gewisse regionale Größe darstellt, benutzen, indem sie sie zum Mitglied macht.

Nun zu denen, die sagen, die Türkei müsste nur ein "privilegierter Partner" werden. Dieser Teil, der hauptsächlich von den konservativen Parteien vertreten wird, will auch die gleiche EU. Aber sie betonen, dass man vorsichtiger damit sein muss, der Türkei eine Rolle in dem Prozess der Formierung einer solchen EU zuzuerkennen.

Wir können ihre Bedenken folgendermaßen zusammenfassen:

sDie Türkei könnte die Grenzen der Integrationskapazität Europas sprengen.

sSie ist ziemlich groß. (Stoiber)

sSie ist zu willkürlich, als dass sie ein Werkzeug der unilateralen EU-Strategien sein könnte. Das heißt, sie könnte auf eigene Faust handeln und es wäre nicht möglich, sie zu kontrollieren. (Stoiber)

sSie könnte das momentane Kräfteverhält-nis auf den Kopf stellen. (Stoiber)

sSie könnte ihre eigenen Positionen der europäischen Innen- und Außenpolitik aufdrängen. (Stoiber)

sSie könnte bei internen EU-Diskussionen und in Konkurrenzfragen mit anderen Ländern Bündnisse gegen Deutschland und Frankreich schmieden.

Sowohl diejenigen, die für die volle Mitgliedschaft der EU eintreten als auch die, die dagegen sind, sagen ganz deutlich: Wer in der Weltpolitik Einfluss haben will, muss über geopolitische Aspekte verfügen, strategisch handeln und in der Lage sein, die Kräfte, die es ins Schlepptau genommen hat, in Bewegung zu setzen. Das bedeutet für die EU oder Europa folgendes:

Die EU muss so stark wie die USA sein; sie muss stärker als alle anderen Staaten sein; sie muss die Macht und Fähigkeit haben, alle internationalen Beziehungen einseitig zu gestalten.

Heutzutage wird die Welt von den USA neu aufgeteilt. Die USA sind als die Hegemoniemacht in einer bestimmenden Position. Daraus schlussfolgern die EU-Strategen folgendes: Wir müssen mindestens so stark wie die USA sein, um sie unsere Existenz spüren zu lassen und ihr zu verstehen zu geben, dass wir eine Macht sind, die bei der Neuaufteilung der Welt mit in Betracht gezogen werden muss.

Auf der Grundlage dieser Meinungen betrachtet die EU die Mitgliedschaft der Türkei. Aus diesem Grund kommt der Türkei, nach dem damaligen deutschen Außenminis-ter Fischer, die Aufgabe zu, Europa zu helfen, eine "kontinentale Dimension im Staatensys-tem des 21. Jahrhunderts" einzunehmen, die es heute noch nicht hat. Der Türkei wird die Schlüsselrolle gegeben, in dem erwähnten Dreieck die Interessen der EU umzusetzen.

Die Angst vor einem Trojanischen Pferd

Die Angst von Frankreich und Deutschland konzentriert sich darauf, ob es eine Gefahr für sie darstellen würde, die Türkei in die EU aufzunehmen, die sie nach ihren Interessen führen; ob die Türkei der verlängerte Arm der USA innerhalb der EU wäre oder nicht.

Der CSU-Chef Stoiber, einer der Hauptverfechter, der Türkei den Status der "privilegierten Partnerschaft" zu geben, sagt, dass eine Vollmitgliedschaft der Türkei die Vision von Europa zerstören würde und Europa dadurch zu einer Freihandelszone ohne politischen Einfluss werden würde.

Diejenigen, die für die "privilegierte Partnerschaft" der Türkei eintreten (Merkel, Schäuble, Stoiber in Deutschland und diejenigen in Europa, die die gleiche politische Haltung wie diese konservativen Parteien einnehmen), sind unsicher, ob die EU im Falle einer Mitgliedschaft der Türkei den USA gegenüber stärker werden würde oder nicht, ob die Türkei innerhalb der EU die Rolle eines trojanischen Pferdes der USA spielen würde oder nicht und ob die USA versuchen würden, ihre strategischen Ziele innerhalb der EU über die Türkei durchzusetzen oder nicht.

Aus diesem Grund stehen diejenigen, die die "privilegierte Partnerschaft" unterstützen, für die Stärkung der französisch-deutschen Führung, die sich auf das ganz übrige Europa erstreckt, anstatt für eine EU, die auch die Türkei mit einschließt.

Seit den ersten Verhandlungen im Jahre 1963 wartet die türkische Bourgeoisie vor den Pforten; damals an der Pforte zur Europäischen Gemeinschaft, dann der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und heute der EU. Sie wird des Wartens nicht müde und befindet sich seit 40 Jahren im Wartesaal, und störte sich nicht daran, bis zum Helsinki-Gipfel im Dezember 1999 zu warten. Die türkische Bourgeoisie, die verlauten ließ, dass sie die Beziehungen noch einmal überdenken würde, falls der Helsinki-Gipfel ihr kein Ergebnis bringt, krakeelte und war gekränkt, als sie erneut mit der Hinhalte-Taktik konfrontiert wurde. Die EU hat verstanden, dass der türkischen Bourgeoisie in Helsinki die Geduld ausgegangen ist. Sie bekam Angst, die Türkei ganz zu verlieren und rettete die Situation, in dem sie zwei hochrangige Vertreter (Solana und Verheugen) um Mitternacht nach Ankara schickte. Infolge dessen öffnete der Helsinki-Gipfel den Weg für Schritte, die den EU-Türkei-Beziehungen eine neue Qualität geben können. Nur so wurde der Türkei der Weg zu einem EU-Beitritt geöffnet. In dem "Forschrittsbericht" wurde die Türkei zum "demokratischen" Land mit einigen Mängeln erklärt. Auf diese Weise wurde die faschisti-sche Diktatur von der "demokratischen" EU entlastet.

Der "Fortschrittsbericht", der sich als "Empfehlung" versteht, wurde auf dem EU-Gipfel angenommen, der am 17. Dezember stattfand, und man gab der Türkei den 3. Oktober 2005 als Beginn der Verhandlungen an.

Es wurde oft erklärt, dass die volle EU-Mitgliedschaft der Türkei, selbst wenn alles glatt geht, nicht vor 2014 eintreten wird.

Die türkische Bourgeoisie hat alle Kriterien erfüllt, die die EU aufgestellt hat. Auf diese Art hat die EU erklärt, die Türkei könnte, so wie sie jetzt ist, Mitglied werden: Und auf diese Weise schloss die EU, obwohl sie besonders die Demokratiefragen betonte, die Folter und Blutbäder in der Türkei auf einmal aus der Staatspolitik aus und übersah die Lynchversuche in der jüngsten Zeit; nach Meinung der EU hat die Diktatur die Hindernisse vor Rede- und Meinungsfreiheit aufgehoben und die kolonialistische faschisti-sche Diktatur hat auch für die Lösung der Kurdenfrage die notwendigen Schritte unternommen und die Frage bestünde nun nur in der Aufhebung bestimmter Störungen bei der Umsetzung. Hiermit hat die EU bewiesen, dass sich ihre Haltung zur Kurdenfrage in keiner Weise von der des kolonialistischen faschistischen Regimes unterscheidet. So verfolgt sie auch die gleiche Vorgehensweise der Verbote wie die faschistische Diktatur, z. B. wurde in Deutschland die Tageszeitung Özgür Politika verboten, die die Stimme der kurdi-schen Patrioten ist, und ihr gesamtes Inventar beschlagnahmt. Es ist vollkommen klar, dass die Fortsetzung des kolonialen Status von Kurdistan auch den Interessen der imperialistischen Länder der EU entspricht.

Die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen in unserem Land haben von der EU nichts zu erwarten. Die Erwartungen an die EU-Mitgliedschaft, dass sie Demokratie bringen wird und dass die kurdische Nation einige nationale Rechte bekommen wird, können nur Träume bleiben. Wenn die EU in Bezug auf die Rechte der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen demokratisch wäre, dann würden diese Rechte in den jetzigen EU-Ländern nicht abgebaut werden. Wenn wir die Angriffe gegen die ökonomischen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen, die sie im Kampf errungen haben, die Vernichtung der sozialen Systeme wie Rente und Gesundheitsversorgung; die reaktionären, faschistischen Gesetze, die unter dem Vorwand des "Terrorismus" verabschiedet werden, die Provokation des Rassismus und Chauvinismus, die Tatsache, dass sie faschistischen Parteien den Weg ebnen, betrachten, die ein direkter Ausdruck der neoliberalen Angriffe der EU-Länder sind, insbesondere in den imperialistischen Ländern wie Deutsch-land, Frankreich und England, können wir verstehen, dass es die reinste Dummheit oder ein Versuch der Irreführung der Arbeiterklasse, der werktätigen Massen und der kurdischen Nation unseres Landes ist, zu hoffen und anzunehmen, dass so eine EU der Türkei Demokratie und Wohlstand bringen wird.

Es ist nicht unsere Pflicht, mit solchen Erwartungen hoffnungsvoll auf die EU-Mitgliedschaft zu blicken, sondern gegen sie zu kämpfen. Die herrschenden Klassen, die ihre Zukunft an das Bündnis mit dieser oder jener imperialistischen Macht knüpfen, ver-breiten weiterhin pro-amerikanische oder pro-europäische Illusionen mittels einiger Reformisten, die sie ins Schlepptau genommen haben, und gekauften Schreiberlingen. Der Kampf gegen den Imperialismus und seine einheimischen Kollaborateure muss auch als Kampf gegen diese leeren Hoffnungen aufgefasst werden.

Im Gegensatz zu den von den Reformisten, der Regierung und der kapitalistischen Klasse, die bei der Frage der EU-Mitgliedschaft alle auf der gleichen Seite stehen, verbreiteten Erwartungen, führt die Befreiung nicht über die EU. Eine EU-Mitgliedschaft wird der Türkei keine Demokratie, Beschäftigung und keinen Wohlstand bringen. Nationale und gesellschaftliche Befreiung kann in der Türkei und Nordkurdistan nur durch die Revolution erlangt werden. Deswegen liegt die Befreiung nicht in der EU, sondern in der Revolution.

Die Erfüllung der politischen Kriterien von Kopenhagen, die Erfüllung dieser politischen Kriterien der EU-Imperialisten, haben nichts damit zu tun, ob die Türkei EU-Mitglied wird oder nicht. Das ist nur ein Ablenkungsma-növer.

Der Türkei wurde zwar ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen gegeben (3. Oktober 2005), aber das ist keine Garantie für eine Mitgliedschaft. Die EU hat verkündet, dass sie die Verhandlungen aus jedem beliebigen Grund abbrechen kann. Für die Aussetzung der Verhandlungen benutzt sie die Ablehnung der Verfassung in einigen Ländern und die Zypernfrage als Ausrede. Am 11. August 2005 schrieb die türkische Zeitung Sabah z. B. folgendes zu diesem Thema:

"Chirac, der Opportunist:

Die Türkei wurde wieder einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte in der EU, als der 3. Oktober, das Datum des Verhandlungs-beginns für die Mitgliedschaft, sich nähert. Erst sagte Dominique de Villepin, der Pre-mierminister Frankreichs, dass "man an ihre Mitgliedschaft nicht denken kann, wenn die Türkei eines der Mitglieder der EU nicht anerkennt". Nach ihm gab Jacques Chirac, Präsident Frankreichs, in einem Brief, den er an den griechischen Führer Papadopulos geschickt hatte, die Garantie, dass "man mit der Verhandlungen für eine Vollmitgliedschaft nicht anfangen wird, solange die Türkei die zypriotische Republik nicht anerkennt". Und Anders Fogh Rasmussen, der Premierminister Dänemarks, verteidigte, dass "es notwendig ist, die Vollmitgliedschaft der Türkei erneut zu diskutieren.

`Sie nutzen Zypern aus`

Wir haben Joost Lagendijk, Vorsitzender des Gemischten Parlamentausschusses (KPK) der EU-Türkei, während des Durcheinanders von Erklärungen über die Türkei in den zwei Tagen befragt. Lagendijk, der meinte, dass "es keine Umkehr vom Beschluss vom 17. Dezember gibt" und Chirac ein Opportunist sei, sagte der Zeitung SABAH folgendes: "Als der 17. Dezember-Beschluss gefasst wurde, waren alle Führer, deren Namen genannt sind, dort anwesend, auch Chirac war da. Jetzt versucht er, Gelegenheit zu ergreifen. Diese Haltung kann nicht akzeptiert werden. Die Türkeidiskussionen sind eine Entwicklung, deren Kommen zu erwarten war. Die Türkei-Gegner nutzen unsere Chancen aus. Das waren erst die Referenden, in denen die Verfassung abgelehnt wurde. Und jetzt nutzen sie die Anerkennung von Zypern aus. Balkenende, Hollands Premierminister und der damalige Ratsvorsitzende, sagte am 17. Dezember, dass es nicht der Anerkennung gleich komme, wenn man das Zusatzprotokoll unterschreibt. Leute von der internationalen Presse haben dies mehrmals gefragt. Balken-ende hat sehr deutlich wiederholt, dass das Zusatzprotokoll und die Anerkennung von Zypern zwei unterschiedliche Themen sind'"

Und tatsächlich hat es den Anschein, dass die Krise, die zwischen den EU-Ländern genau vor dem 3. Oktober aufgrund der Frage der EU-Mitgliedschaft der Türkei und der Verhandlungen für die Mitgliedschaft ausbrach, nachdem die österreichische Außenmi-nisterin Ursula Plassnik erklärt hatte "unser gemeinsames Ziel ist volle Mitgliedschaft", überwunden war. Sie erklärte dies, direkt nachdem die EU im letzten Moment verkündet hatte, dass sie die Beitrittsverhandlungen für eine volle Mitgliedschaft Kroatiens beginnen würde. Morgen können sie einen anderen Grund finden. Wichtig dabei ist für die führenden imperialistischen Länder der EU, genauer gesagt, Frankreich und Deutschland, die die EU anführen, wie reif die Türkei dafür werden kann, für die EU-Politik benutzt zu werden und wie distanziert sie sich von den USA verhalten wird.

Mit solchen Erklärungen lässt die EU durchblicken, dass sie noch einmal über die Mitgliedschaft der Türkei nachdenken werde, wenn die Türkei Schritte unternimmt, die den Interessen der EU in der regionalen und Weltpolitik entgegenstehen und wenn sie darauf besteht, sich auf die Seite des US-Imperialismus zu stellen.

Der bislang erzielte Fortschritt in den EU-Türkei-Beziehungen, dass ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen festgelegt wurde, zeigt auch die Dimensionen der Konkurrenz zwischen der EU und den USA um die Türkei und die Region. Die EU will eine Türkei, die vollkommen abhängig von der EU ist und wird den Verhandlungsprozess solange hinauszögern, bis die Türkei vollkommen von der EU abhängt. Und die USA werden ebenfalls ihr bestes tun, um so einen "Verbündeten" nicht zu verlieren. Der US-Imperialismus braucht ein weiteres trojani-sches Pferd in der EU, so wie England. Sie brauchen das, um die EU in der Weltpolitik zu schwächen, um zu verhindern, dass sie eine gemeinsame Außenpolitik entwickelt. Aus diesem Grund unterstützen sie die EU-Mitgliedschaft der Türkei. Die EU-Imperialis-ten kennen ebenfalls den Grund ganz genau, aus dem die USA die EU-Mitgliedschaft der Türkei unterstützen.

Ob die Türkei ein volles Mitglied der EU werden wird oder nicht, sowie Fortschritte in den EU-Türkei-Beziehungen insgesamt hängen von der Entwicklung der Konkurrenz zwischen der EU und den USA ab und auf welcher Seite die Türke in diesem Prozess stehen wird.

Das Mitgliedschaftsabenteuer der Türkei kann solange andauern, bis der Konkurrenz-kampf zwischen der EU und den USA seine letzte Stufe erreicht; bis zu einer gewissen Situation von Bündnissen und der Auflösung mitgenommener Organisationen von Verbün-deten wie der NATO, die im Rahmen des Kalten Krieges gebildet worden war. Es ist nicht schwer, Gründe zu finden, um die Beitrittsphase zu verlängern.

Sowohl die USA als auch die EU wissen, dass man bei den Bestrebungen, Einfluss in der Region zu haben, nicht über die Türkei hinwegsehen kann.

Die heutigen Beziehungen der EU und der USA mit der Türkei haben den Charakter, eine Beziehung zu sein mit einer Macht, die sie aufgrund ihrer Interessen nicht ausschließen können. Beide imperialistischen Konkurrenzzent-ren versuchen, diese Macht für sich selber zu gewinnen. Der Hegemoniekampf um die Türkei geht weiter. Aber sie wissen auch, dass die Türkei ein Land mit Möglichkeiten und Dynamiken und in ökonomischer Hinsicht eines der 20 stärksten Länder der Welt ist. Sie ist eine Macht, die über Stärke und mili-tärisches Potential verfügt; sie ist eine Macht, die danach strebt, imperialistisch zu sein und Schritte in diese Richtung unternimmt. So eine Macht könnte in der EU sämtliche Kräftever-hältnisse auf den Kopf stellen. Wie wir oben erläutert haben, besteht hierin der Grund für die Angst der führenden EU-Länder, insbesondere Deutschlands.

Was tun?

In den EU-Ländern greift die Bourgeoisie die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen mit ihrer neoliberalen Politik an, die manchmal mit unterschiedlichen Formen umgesetzt wird, aber immer den gleichen Inhalt hat; sie bauen die ökonomischen und sozialen Rechte ab, die im Kampf gewonnen worden sind und sie stellen den materiellen Reichtum der Länder dem Kapital zur Verfügung. Solche Angriffe, die fast in der gesamten EU auf der Tagesordnung stehen, machen es unvermeidbar und notwendig, einen gemeinsamen Widerstand gegen diese Angriffe zu orga-nisieren. Die materiellen Bedingungen, um ihren jeweiligen nationalen Kampf gemeinsam zu organisieren, bestehen für die Arbeiter-klasse und die werktätigen Massen der EU. Natürlich sprechen wir nicht von dem Konzept und der Organisation des Kampfes in Form des Europäischen Sozialforums. Genauso wenig sind wir für die "Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas", so wie die Trotzkisten es sind.

Das Europäische Sozialforum kämpft für die Wiederbelebung des "Sozialstaates" oder die Rückkehr zu der Zeit des "Sozialstaates", während die Trotzkisten darauf abzielen, mit dem Sozialforum oder derartigen sozialen Bewegungen ihre "antikapitalistische" Revolu-tion durchzuführen und die "Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa" zu errich-ten. Aber sie sagen nichts über den Weg, auf dem diese Revolution umgesetzt werden könnte.

Die dringende Aufgabe der Arbeiterklasse in den EU-Ländern ist nicht der Kampf für die "Vereinigten Staaten von Europa". Die Arbei-terklasse und die werktätigen Massen stehen vor der Aufgabe, gegen ihre eigenen Bour-geoisien zu kämpfen. Die national unorga-nisierte Arbeiterklasse ist vor den Verfechtern der EU, des "Sozialstaates" oder des "sozialen Europa" und vor den trotzkistischen Vertei-diger der "Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa" zur Niederlage verurteilt. Das einzige Kampfmittel, um gegen diese konterrevolutionären Kräfte zu kämpfen, ist die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen für die sozialistische Revolution zu organisieren, und das geht über die Organisierung der kommunistischen Kräfte in jedem einzelnen Land als politische Partei. Ohne dass diese Vorbe-dingung erfüllt ist, kann die Parole "die einzige Alternative ist der Sozialismus" nicht mehr sein als eine Agitationsparole.

Wir stehen in den EU-Ländern vor einer herzzerreißenden Situation in der Frage der Organisierung der Kommunisten, der Frage der Kommunistischen Partei. Man muss diese Wahrheit im Auge behaltend handeln. Aber man sollte das nicht so auffassen: "Was können wir schon tun, es gibt keine solche Partei, also können wir nichts tun." Das wäre eine andere Form des Aufgebens. Die kommunistischen Kräfte müssen überall und in jedem Bereich in den sozialen Bewegungen sein, sie müssen versuchen, die gesellschaftliche Opposition zu führen und zu revolutionieren. Sie müssen versuchen, gemeinsam mit fortschrittlichen, revolutionären Teilen zu handeln und sie für die sozialistische Revolution zu beeinflussen. Wenn sie auf diese Weise handeln, können sie Beziehungen mit der Arbeiterklasse und den werktätigen Massen entwickeln und haben dann ein Wort mitzureden.

Die absolute Aufgabe der Kommunisten in jedem Land ist, die Kräfte der Arbeiterklasse politisch und organisatorisch zu vereinigen. Nur nach der Erfüllung dieser Aufgabe können materielle Bedingungen dafür vorhanden sein, den Kampf EU-weit mit einer sozialisti-schen Perspektive zu führen.

 

 

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DIE POLITISCHE KRISE DER EU UND IHRE ZUKUNFT
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Die EU wächst ziemlich schnell. Dieser Wachstumsprozess wird hauptsächlich von dem deutschen Imperialismus geführt und gefördert. Letztes Jahr sind der EU 10 Länder beigetreten und bislang haben Bulgarien und Rumänien die Mitgliedsverträge unterzeichnet. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien haben nach dem 3. Oktober begonnen. Die anderen Balkanländer warten darauf, dass sie an die Reihe kommen. In den Expertenkommissionen der EU wird über die Mitgliedschaft von Belorussland und Moldawien diskutiert. Am Ende ihrer Expansion kann die EU zu einer 35 Staaten umfassenden Freihandelszone werden oder als Binnenmarkt von Nationalstaaten neu strukturiert werden.

Alles begann im Jahr 1957 mit dem Vertrag von Rom. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde die Europäische Wirtschaftsgemein-schaft (Gemeinsamer Markt) gebildet. Nach 1957 wurde 30 Jahre lang kein weiterer Vertrag unterschrieben. Aber nach 30 Jahren folgten viele Verträge hintereinander zur Vertiefung und Ausweitung der ökonomische Integration: 1987 die Einheitliche Europäische Akte zur Bildung eines Binnenmarktes; 1992 die Maastrichter Verträge; 1997 der Amsterdamer Vertrag; 2000 wurden die Nizza-Verträge unterzeichnet und schließlich kam die Europäische Verfassung auf die Tagesordnung. Der Verfassungsentwurf wurde in einigen Ländern den Parlamenten zur Abstimmung vorgelegt und in einigen anderen als Referendum eingebracht. Die Ergebnisse der Referenden haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass die EU sich in einer tiefen Krise befindet und nicht über den Rahmen einer ökonomischen Integration herauswächst. Das Streben danach, auf der Grundlage der genanten Verfassung einen föderativen EU-Superstaat zu errichten, hat sich vorläufig als Luftschloss erwiesen.

Die politische Krise, die im Verlauf der Diskussionen über die Verabschiedung des Haushaltes und die Annahme der Verfassung ausbrach, spiegelt die Haltungen wieder, die die Zukunft der EU unmittelbar in Frage stellten. Eine EU mit einer Verfassung wäre ein bedeutender Schritt hin zur Gründung einer in Westeuropa konzentrierten, neuen Hegemo-nieordnung und zur Herausbildung einer gemeinsamen Außenpolitik und gemeinsamen Streitkräften. Es ist ziemlich deutlich, dass die Verfassung der erste relevante Schritt zur Errichtung der politischen Union wäre. Ein solcher Schritt würde die EU den USA gegenüber stärken und ihre Konkurrenz-kapazität auf den Weltmärkten erhöhen. In diesem Sinne wäre eine EU mit Verfassung mächtiger als eine EU ohne Verfassung.

Auf diese oder jene Art und Weise hat sich die EU bis heute erweitert und ausgedehnt. Ihr Wachstum und ihre Expansion haben Widersprüche auf die Tagesordnung gebracht, die bisher nicht zur Sprache gekommen sind. Die gegenwärtige politische Krise zeigt, dass die EU wächst und sich ausdehnt, indem sie ihre internen Widersprüche, ihre interne und externe Konkurrenz wachsen und ausdehnen lässt.

Führen der Wachstum und die Expansion der EU gleichzeitig zu einer Vertiefung? Über die Vertiefung gibt es zwei verschiedene Standpunkte: Die eine Seite versteht unter Vertiefung Demokratie und Wohlstand. Diese Seite besteht generell aus denjenigen, die Erwartungen an die EU knüpfen. Die andere Seite, in erster Linie Deutschland und Frankreich, versteht darunter "die Manöverfä-higkeit der EU" zu erhalten. Diese Länder verstehen unter der Vertiefung und der Erhaltung der "Manöverfähigkeit der EU" die Bildung eines "Kerns", den sie anführen werden. Auf diese Weise würden sie die Zukunft und Entwicklung der EU ihren eigenen Interessen entsprechend steuern, so wie sie das bis heute getan haben. Den anderen Ländern käme die Aufgabe zu, einen Kreis zu bilden, der den Kern umgibt.

Die führenden imperialistischen Länder der EU wie Deutschland und Frankreich verstehen sowohl unter der Expansion als auch unter der Vertiefung der EU eine EU, deren Mitglieder nicht die gleichen Rechte haben.

Die Verfassung wurde ausgearbeitet, um diesen Zustand zu legitimieren und gesetzlich abzusegnen. Sie wurde aber doch abgelehnt, besonders in allen voran von Frankreich, das eines der Länder ist, die diese Legimitation wollen.

Wie demokratisch ist die genannte Verfassung? Hochtrabende Reden und abgedroschene Phrasen über Demokratie haben nichts zu sagen. Falls diese Verfassung eines Tages in Kraft treten sollte, wird sie die EU so "demokratisch" machen wie die USA, d. h, die EU wird so demokratisch sein wie die USA. Denn diese Verfassung wurde erarbeitet, um eine neue Hegemoniemacht mit Zentrum in Europa unter der Führung von Deutschland-Frankreich zu bilden. Diese Verfassung gründet sich auf die neoliberalen "Werte". Die neoliberalen "Werte", die schon seit langem vom US-Imperialismus praktiziert werden, sind in der EU-Verfassung festgehalten. In diesem Rahmen kann die Hegemoniemacht, die gebildet werden soll, mindestens so demokratisch wie die USA mit ihren erwähnten neoliberalen "Werten" sein. Wir sagen "mindestens", weil die Verfassung noch über die neoliberalen "Werte" des US-Imperialismus hinausgeht. Die EU-Verfassung ist relativ offen für die Errichtung einer "demokratischen" Diktatur. Die neoliberale Politik, die in den Maastrichter Verträgen festgehalten ist, bildet den 3. Abschnitt der Verfassung. Eine Mehrheit ist nicht ausreichend, um dort Veränderungen vorzunehmen, dafür ist ein einstimmiges Ergebnis erforderlich. Der US-Imperialismus kann seine geltenden neoliberalen "Werte" verändern, wenn seine Interessen es erfordern. Aber die Verfassung verpasst der EU eine neoliberale "Zwangsjacke". Das gesamte ökonomische, politische und soziale Leben in den EU-Ländern ist heute nach diesen "Werten" organisiert. Muss man noch darüber nachdenken, wie demokratisch die EU mit ihrer Verfassung der neoliberalen "Werte" überhaupt sein kann?

Kurz gesagt: Der Verfassungsentwurf sieht eine EU ohne Demokratie vor. Ihre Wegbereiter und Ideologen sind nationale und EU-weite Technokraten und Eliten. Diese Elemente sind die Meister der Strategie (allein genommen bedeutet sie nichts, aber in ihrer Gesamtheit ist sie der Ausdruck wichtiger Entwicklung), Schritt für Schritt vorzugehen. Erst wurde ein gemeinsamer Markt für Kohle und Stahl geschaffen. Anschließend folgte das Konzept des Gemeinsamen Marktes. Die Schaffung des Gemeinsamen Marktes, oder die Bildung eines Binnenmarktes der Mitgliedsländer, ließ gewisse Regeln, Gesetze und Verträge unvermeidlich werden. Von Anfang an musste jede Verordnung, jedes Gesetz oder Abkommen, oder genauer gesagt, jeder Vertrag, dem freien Verkehr von Waren, Kapital etc. dienen. Zu diesem Zweck wurde 1987 die Einheitliche Europäische Akte verabschiedet.

Um den gebildeten Binnenmarkt maximal ausnutzen zu können, brauchten die Monopole eine gemeinsame Währung. Zu diesem Zweck wurden die Maastrichter Verträge unterzeichnet. Aber eine gemeinsame Währung war nicht ausreichend. Um die gemeinsame Währung Euro maximal ausnutzen zu können, müsste die Union sich auf einen rechtlichen Überbau stützen: eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Das bedeutet, dass man über eine gemeinsame Verteidigung nachdenken musste; eine Armee musste gebildet werden, und diese Armee musste stark genug sein, um den Willen der EU außerhalb ihrer Grenzen zu verteidigen und umzusetzen.

Also war eine politische Union nötig, um maximal von der Wirtschaftsunion, und der gemeinsamen Währung profitieren zu können. Dieses Ziel haben sie teilweise mit dem Amsterdamer Vertrag erreicht; genauer gesagt, der Weg für eine politische Union wurde rechtlich freigemacht. Aber später erinnerte man sich daran, dass Europa nicht nur aus Westeuropa besteht, sondern dass dieser alte Kontinent auch noch einen Norden, einen Süden und einen Osten hat! Und dafür wurde ein Vertrag benötigt. Und er wurde geschaffen: den Interessen des deutschen und französi-schen Kapitals entsprechend wurden Süd- und Osteuropa mit dem Abkommen von Nice an die EU gekoppelt. Aber auch das war noch nicht ausreichend. Es mussten Schritte hin zu der Errichtung eines Föderalen Europäischen Unionsstaates unternommen werden. Der erste Schritt dafür konnte nur eine Verfassung sein, die die Mitgliedsländer an die Interessen des deutschen und französischen Monopol-kapitals bindet: Diese beiden imperialistischen Länder beabsichtigen, einen recht zentrali-sierten föderativen Staat der Europäischen Union unter ihrer Kontrolle zu gründen. Die Franzosen und Deutschen sind ja schon seit den Stammeszeiten Verwandte. Vielleicht wollten sie deshalb ein neues, modernes Karolingerreich errichten! Aber die Ergebnisse des Referendums haben bewiesen, dass sie sich verkalkuliert haben!

Ende 2004 wurden neue Maßnahmen getroffen, um die "Festung Europa" Wirklichkeit werden zu lassen. Auf dem Ministertreffen von 25 Ländern in Brüssel legten sie die Grundlage für ein gemeinsames Zuwanderungssystem, für den gemeinsamen Schutz der EU-Grenzen und für mehr Informationsaustausch zwischen Polizei und Geheimdiensten fest. Diese Maßnahmen wurden unter dem Begriff "Haager Programm" zusammengefasst.

Im Namen der "Garantie der Grundrechte" gibt die EU ihren Mitgliedsstaaten das Recht, "illegale Einwanderer in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken".

Das "Haager Programm" gilt für alle EU-Länder und bildet die Grundlage für Reise- und Einwanderungsbestimmungen im Rah-men der EU.

Jede bedeutende große politische Krise bringt die grundlegenden Probleme und Ursachen ans Tageslicht, die bis dahin verschleiert waren. Die Ablehnung des EU-Verfassungsentwurfes in Frankreich und den Niederlanden und anschließend das Haushaltsproblem und der Ausbruch der Finanzkrise müssen als Anlass und gleichzeitig als Grund für den Ausbruch der aktuellen politischen Krise betrachtet werden.

Wenn wir uns die Entwicklung der EU ansehen, begegnen wir stets vielen Widersprüchen, Diskussionen und Konkur-renzstreit. In der EU gibt es Widersprüche zwischen den großen und den kleinen Staaten. Es gibt Länder, die vor der Herrschaft Deutschlands und Frankreichs auf der Hut sind. Andererseits gibt es aber auch Länder, die diese Dominanz als Antriebskraft der EU betrachten. Kürzlich kam der Widerspruch zwischen dem "alten" und dem "neuen" Europa auf die Tagesordnung. Hier ist die Rede von der Opposition der pro-USA-Staaten innerhalb der EU gegen die französisch-deutsche Vorherrschaft. Selbstverständlich gibt es ebenfalls Widersprüche innerhalb der EU zwischen den armen und reichen Ländern; zwischen armen und reichen Regionen und zwischen den Armen und den Reichen.

Die EU war in der Lage, ihre Widersprüche und Konflikte mit Hilfe von Subventionen und Unterstützungspolitik, die sie anwendete, selber zu kontrollieren und auf ein gewisses Maß zu begrenzen. Deswegen gab es bisher keine ernsthaften Hindernisse, die dem Prozess des Integrationsprozesses, dem Wachsen und der Expansion der EU entgegenstünden. Aber die miserable Situation der Welt- und der EU-Ökonomie in den letzten Jahren; die massive Opposition, die sich als Antwort auf die neoliberalen Angriffe entwickelt; der US-Imperialismus, der seine Hegemonieposition in der Weltpolitik aufrechterhalten will und seine Schritte in diese Richtung verursachen, dass die nationalen Interessen im alten Europa wieder stark und lebendig zu Tage treten.

Der Krieg im Irak hat Europa im wahrsten Sinne des Wortes in zwei geteilt und von dem Konzept der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, über das soviel gesprochen wurde, nichts übrig gelassen. Es hat sich also herausgestellt, dass die EU als politische Integration nicht einmal ein bisschen vorangekommen ist.

Die EU-Länder konnten mit Mühe und Not einen Konsens für die Rohfassung der Verfassung erzielen. Das Ziel der EU war, mit der Annahme der Verfassung in eine neue Phase ihrer Entwicklung einzutreten: Am Ende dieses Prozesses sollte Europa seine ökonomi-sche und politische Integration abgeschlossen haben. Das bedeutet, dass in dieser oder jener Form die "Vereinigten Staaten von Europa" gegründet worden wären. Aber das ist nicht geschehen. Die Ablehnung der Verfassung durch die Völker in Frankreich und in den Niederlanden, die Streitereien zwischen den führenden Ländern Europas wie Deutschland, Frankreich und England auf den darauf folgenden Gipfeln haben dazu geführt, dass die Umsetzung des Europäischen Projektes vertagt werden musste.

Die USA lenken Großbritannien dahingehend, dafür zu sorgen, dass die EU eine Union von Nationalstaaten bleibt. Großbritannien sabotiert tatsächlich die Hegemoniepläne von Deutschland und Frankreich, und zwar mit seiner aktuellen, deutlichen Opposition. Der Premierminister Großbritanniens, T. Blair, formulierte dies in seiner Presseerklärung in folgenden Worten:

"Dies ist wichtig. Weil Europa sich in einer Strukturierung befindet, wobei Großbritan-nien Bündnisse aufbauen, sich zuhause fühlen kann; das ist ein Europa, in dem es keine herrschende Meinung gibt; das ist ein Europa, in dem es Flexibilität und Voranschreiten gibt".

"Keiner, der dieses Abkommen ernst nimmt, kann behaupten, dass es die Grundlage eines föderativen Superstaates bildet. Das ist ein neues Europa. Dieser Unterschied kann gefühlt werden, wenn man mit diesen neuen Staaten zusammenkommt. Es gibt einen Kampf um die Frage, wie das Europa der Zukunft gestaltet werden kann. Es gibt diejenigen, die die Steuern angleichen oder das Veto-Recht in der Innen- und Außenpolitik auf-heben wollen. Aber eine andere Situation ist eingetreten. Wir haben einen Bündnispartner gefunden, um zu garantieren, dass Europa als Europa von Nationalstaaten bestehen bleibt".

"Der gefundene Bündnispartner, um zu garantieren, dass Europa als Europa von Nationalstaaten bestehen bleibt", das war nichts anderes als die Unterstützung des US-Imperialismus und der ost- und mitteleuropäischen Länder, die sowohl Neumitglieder der EU als auch der NATO sind.

Damit hat T. Blair zum Ausdruck gebracht, dass sie (Großbritannien und die USA) die Zukunft Europas diktieren.

Blair betrachtet die Beteiligung Großbritan-niens an der Formierung der EU, am Projekt der EU als zwingend erforderlich und glaubt, dass er mit der Unterstützung der USA gegen die deutsch-französische Dominanz innerhalb der EU ankämpfen kann. Das heißt, dass er entschlossen ist, die EU in Form einer Freihan-delszone weiterzuentwickeln, die nicht im Widerspruch zur NATO oder den USA steht.

Darüber hinaus verfügt T. Blair noch über einen weiteren Trumpf in diesem Kampf: der Premierminister von Großbritannien beabsichtigt, die neuen EU-Mitglieder auf einem pro-amerikanischen Kurs zu organisieren und die EU mit ihrer Unterstützung neu zu formieren.

Blair geht von der Tatsache aus, dass diese neuen EU-Mitglieder, die ost- und mitteleuro-päischen Länder, die gleichzeitig NATO-Mitglieder sind, die gleiche Vision wie Großbritannien über die Zukunft der EU haben und entschlossen sind, ihre Unabhängigkeit innerhalb der EU zu wahren. Blair behauptet also, diese Länder hätten eine "Pflicht" den USA gegenüber; sie wären "sich bewusst, dass sie ihnen geholfen haben, ihre Freiheit zu erlangen" und sie würden diese Freundschaft und Zusammenarbeit in der EU fortsetzen. Derartige Behauptungen machen deutlich, dass die EU-Vision Großbritanniens eine organisierte Aktivität ist.

Es ist klar, dass die EU-Vision des Premierministers von Großbritannien, T. Blair, darin besteht, den Einfluss von Deutschland und Frankreich zu brechen und zu garantieren, dass die USA eine europäische Kraft bleiben und die EU als "demokratischer Brückenkopf" für ihre eurasische Geopolitik benutzen können.

Kurz gesagt: Das alte Europa, welches Schauplatz von Kriegen, Zerstörung, Aufständen und Revolutionen war, oder die EU, die einen Teil davon bildet, erlebt die tiefste politische Krise seit dem 2. Weltkrieg. Die Ablehnung der Verfassung in dem Referendum in Frankreich (Mai 2005) und in den Niederlanden (Juni 2005 das Fiasko des Finanzgipfels der EU, der ebenfalls im Juni 2005 stattfand; die Tatsache, dass viele EU-Länder die Annahme der Verfassung vorübergehend auf Eis gelegt haben und die Akzeptanz dessen auf dem EU-Gipfel; und schließlich die Streitereien zwischen den Regierungschefs, die auf dem Gipfel fast in gegenseitige "Beschimpfungen" ausgeartet sind, all dies gleicht nicht den heftigen Diskussionen, die bisher vorkamen. Die kürz-lich stattgefundenen gegenseitigen Beschul-digungsduelle zeigen, dass die EU sich in einer tiefen politischen Krise befindet. Wir sehen, dass das Projekt der Europäischen Union; das Projekt des Übergangs von einer ökonomi-schen Integration zu einer politischen Integration, auf das Hindernis der inter-imperialistischen Widersprüche gestoßen ist, es hat eine Sackgasse der Konkurrenz erreicht, die Ausdruck dieser Widersprüche ist.

Die genannte politische Krise hat gezeigt, dass die EU nicht so einfach über die ökonomische Integration hinaus gekommen ist und kommen kann.

Die EU ist auf "nationale" Interessen und nationalen Egoismus gestoßen.

Für das Ausbrechen dieser politischen Krise spielen viele Faktoren eine Rolle:

1. Die EU hat die finanziellen Möglich- keiten, die regionalen und sozialen Ungleich-heiten zwischen den Mitgliederstaaten bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. Aber dies wird von der Globalisierung behindert. Das Kapital der Länder der EU ist nicht mehr in der Lage, sich die Ausgaben für die Agrarsubventionen, regionale Fonds und einige andere Subventionen zu leisten, um global gesehen mit anderen Ländern konkurrieren zu können, die niedrigere Löhne anbieten und weniger Steuern verlangen. Das umfasst auch die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme wie Rente, Gesundheits-versorgung etc. Aus diesem Grund betrachtet der Premierminister Großbritanniens, T. Blair, die Agrarsubventionen als töricht. Denn 40% des EU-Haushaltes wird für Agrarsub- ventionen ausgegeben.

Aber dennoch ist es nicht leicht, diese Ausgaben abzuschaffen. Die soziale und politische Struktur, die in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurde, und die mit großer Vorsicht ausbalanciert wurde, ist ohne diese Ausgaben zum Zusammenbruch verurteilt. Die Zerstörung, oder die Schritte, die zur Zerstörung führen können, werden nicht nur eine nationale politische Krise auslösen, sondern auch die nationalen Interessen der EU-Länder miteinander in Konflikt bringen und in diesem Sinne wird es die Konkurrenz unter den Ländern innerhalb der EU verschärfen. Der Streit zwischen Deutschland und Frankreich und Großbritannien ist eine klare Widerspiegelung genau dieser Situation. Wie die letzten Entwicklungen in der EU gezeigt haben, zögern die Länder und ihre Regierungen, die immer das vereinte Europa preisen, keinen Augenblick davor, ihr wahres Gesicht zu zeigen, wenn die Probleme die nationalen Interessen berühren.

2. Der Druck, den der US-Imperialismus mit jedem Tag stärker ausübt, ist ein anderer Grund für die politische Krise. Seit dem Irakkrieg setzt der US-Imperialismus seinen Einfluss, den er auf die EU hat, intensiv ein, um zu verhindern, dass die Union, die seine Welthegemonie nicht unterstützt, sich zu einer Konkurrentin in der internationalen Arena entwickelt. Die Bemühungen des US-Imperia-lismus waren erfolgreich und es scheint, dass er sein Ziel erreicht hat. Die USA haben die Angelegenheit des "alten" und des "neuen" Europas erneut auf die Tagesordnung gebracht und die EU-Mitglieder aus Ost- und Mitteleuropa, die als "neues" Europa bezeichnet werden, zusammen mit einigen Ländern des "alten" Europas ins Schlepptau genommen; sie haben die EU anhand des Irakkrieges in zwei geteilt.

Der US-Verteidigungsminister, Donald Rumsfeld brachte die Kluft, den Widerspruch zwischen den USA und der EU; zwischen dem USA- und Großbritannien-Duo und dem Deutschland-Frankreich-Duo, die aufgrund des imperialistischen Krieges oder der Opposition zu den US-Kriegsplänen ausbrach und seit dem ersten Golfkrieg 1991 immer deutlicher geworden ist, zur Sprache. Auf die Frage eines Journalisten hin erklärte Rumsfeld: "Wenn man Europa sagt, denkt man an Deutschland oder Frankreich. Aber ich denke nicht so. Das ist das alte Europa. Guckt euch die vielen anderen Länder Europas an, sie sind in diesem Punkt nicht mit Frankreich und Deutschland einverstanden. Sie unterstützen die USA."

Die USA haben ihre Verbündeten bis jetzt nie so scharf und unverblümt angegriffen und sie haben die Union Europas im Rahmen der EU nie als fragwürdig betrachtet oder hingestellt.

Der US-Imperialismus hat sein Ziel zum Ausdruck gebracht, in Europa ein Einfluss-gebiet unter seiner Kontrolle zu schaffen, das in Opposition zu Deutschland und Frankreich stünde.

Es gab hier nicht viele Alternativen für die deutsche und französische Monopolbour-geoisie: Entweder mussten sie sich den Forderungen der USA unterwerfen und somit akzeptieren, dass die EU offen zu einem Protektorat des US-Imperialismus wird, oder sie mussten sich wie ein "Prahlhans" verhalten und hätten so gezeigt, dass sie angeblich gegen die USA sind. Aus diesem Dilemma konnte die Monopolbourgeoisie der EU-Länder; in erster Linie die deutsche und die französische Monopolbourgeoisie, sich nicht retten.

Großbritannien stellt sich bei dem Widerspruch zwischen den USA und der EU auf die Seite der USA. Dieses Land hat sich innerhalb der EU als Partner des US-Imperialismus gegen Deutschland und Frankreich verhalten und verhält sich nach wie vor so.

Ein weiterer Grund, weswegen die Länder Zentral- und Osteuropas die Partie der USA ergreifen, ist, dass sie der deutsch-französi-schen Dominanz und der Achse Frankreich-Deutschland-Russland skeptisch gegenüber stehen.

Die Bedeutung dieses Dilemmas der EU ist mit der Zeit weder geringer geworden noch verschwunden. Ganz im Gegenteil, es führte dazu, dass die Stimmen, die dafür eintreten, sich auf die Seite der USA zu stellen, im "alten" Europa laut wurden.

Deutschland und Frankreich haben mittlerweile einsehen müssen, dass ihr vorhandenes Potential in keinster Weise ausreichend dafür ist, mit dem US-Imperialismus in Europa oder auf internationaler Ebene zu konkurrieren und dass man auf Europa als Macht nicht vertrauen kann. Also mussten sie ihre Absicht, die USA ernsthaft herauszufordern, vertagen.

3. Die gesellschaftliche Opposition, die sich in den letzten Jahren gegen den imperialisti-schen Krieg und die neoliberalen Angriffe formiert hat, und teilweise ihren Ausdruck in Hunderttausenden und Millionen Menschen fand, muss als einer der wichtigsten Gründe für das Ausbrechen der politischen Krise der EU betrachtet werden.

Die weltweite Bewegung gegen die imperialistische Globalisierung organisierte sich in Europa im Europäischen Sozialforum und erreichte im Februar 2003 ihren Höhepunkt mit den Demonstrationen zur Verhinderung des imperialistischen Krieges im Irak. Millionen gingen auf die Straße, um gegen den Krieg und gleichzeitig gegen die neoliberalen Angriffe zu protestieren. In einigen europäischen Ländern versuchten die Regierungen, die Opposition der Millionen gegen den Krieg für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Führend dabei waren Deutschland und Frankreich, die erklärten, sie seien gegen die US-Aggression gegen den Irak. In diesen Ländern lehnten die Regierungen der Monopolbourgeoisie den Krieg aufgrund der Interessen ihres Kapitals ab und haben es geschafft, sich die Antikriegsbewegung zu Nutze zu machen. Für den wiederholten Wahlsieg der rot-grünen Koalition 2002 in Deutschland z.B. hat es eine große Rolle gespielt, dass sie vorgaben, gegen den Krieg zu sein.

Aber der Grund, aus dem die Massen in diesen Ländern auf die Straße gingen, um gegen den Krieg zu protestieren, war nicht etwa, dass sie dachten, "unsere Regierungen sind gegen den Krieg, lasst uns also auf die Straße gehen und auch gegen den Krieg protestieren". Ihre Beweggründe gegen den Krieg und die der Regierungen waren grundverschieden: Die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen protestierten gegen den Krieg und den Militarismus, die den Interessen des Monopolkapitals dienen, während die Regie-rungen aus dem Motiv heraus, ihre eigenen Interessen gegenüber den USA zu verteidigen, gegen den imperialistischen Krieg waren.

Die Hauptpolitik der Monopolbourgeoisie der letzten Jahre in Europa heißt chronische Massenarbeitslosigkeit, Umsetzung der neoli-beralen Politik, die für die Interessen des Monopolkapitals vorbereitet wurde, Abbau erkämpfter sozialer Rechte in Bereichen wie Rente, Gesundheit, Bildung etc. und Flexibilisierung der Arbeit. All das hat dazu geführt, dass Millionen auf die Straßen gingen.

Dieser Widerspruch zwischen der Arbeiter-klasse und den werktätigen Massen einerseits und der Bourgeoisie andererseits wurde zum Hauptfaktor bei der Herausbildung des gesellschaftlichen und politischen Lebens dieser Länder. Aus diesem Grund spielte die Tatsache, dass die Massen in Frankreich gegen die neoliberale Politik und die Angriffe waren, eine wichtige Rolle für die Ablehnung der Verfassung: das heißt, dass die Mehrheit der Wähler in Frankreich nicht nur "nein" zur Verfassung sagte, weil es die Verfassung der Monopole ist. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die neoliberale Politik, die neoliberalen Angriffe, die sich in dem Kahlschlag der demokratischen, ökonomischen und sozialen Rechte insgesamt widerspiegeln, eine bestimmende Rolle bei der Ablehnung der Verfassung gespielt haben.

Die Ergebnisse der Referenden waren Ausdruck von dem Misstrauen in die Regie-rungen dieser Länder. In einigen EU-Ländern wurde der Prozess der Bestätigung der Verfassung eingefroren, um zu verhindern, dass die Krise, die im Zusammenhang mit der Bestätigung der Verfassung in einigen Ländern ausgebrochen war, auf andere Länder überspringt.

So sollte die Ablehnung der EU-Verfassung in diesem Land nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass die breiten Massen verstanden haben, dass die Verfassung antidemokratisch ist. Das Gleiche gilt auch für die Niederlande. Dort haben die neoliberale Politik und die Angriffe im Land und in Europa ebenfalls eine große Rolle für die Ablehnung der Verfassung gespielt. In Deutschland musste die Regierung vorgezogene Wahlen abhalten.

Aufgrund der genannten Gründe brach in Frankreich infolge der Ablehnung der EU-Verfassung eine politische Krise aus. Die Gründe für die politische Krise, die in Deutschland ausbrach, waren dieselben.

In Frankreich, das keine andere Wahl hat als die neoliberale Politik durchzusetzen, um sich unter den Bedingungen der imperialistischen Globalisierung auf den Weltmärkten behaup-ten zu können, bereitet die französische Monopolbourgeoisie N. Sarkozy, ein Anhänger des neoliberalen, pro-US-Kurses, als Nachfol-ger für den Präsidenten Jacques Chirac vor.

In Deutschland hat der sozialdemokrati-sche Flügel der Koalition vor den Wahlen betont, dass er entschlossen sei, die Agenda 2010 fortzusetzen und dass es notwendig sei, die neoliberale Politik entschlossen durch-zusetzen, damit Deutschland sich auf den Weltmärkten behaupten könne.

4. Der Widerspruch zwischen dem kontinentalen Europa und Großbritannien ist eine der Ursachen der politischen Krise der EU. T. Blair, der die Entwicklungen im kontinentalen Europa beobachtet, plant, sich die politische Krise in diesen Ländern und in Europa allgemein zu nutze zu machen, um die EU und darüber hinaus ganz Europa nach dem briti-schen Modell zu gestalten. Immerhin hat er eine Möglichkeit: die EU-Ratspräsidentschaft. In der Rede, die er während der Amtsüber-nahme vor dem Europäischen Parlament hielt, sprach Blair davon, Europa zu "mo-dernisieren". Blair zur Folge muss ein neues soziales Modell entwickelt werden - zweifelsohne dem britischen Modell entsprechend- und mithilfe dieses Modells "muss die Konkurrenzfähigkeit der EU verbessert werden" und die EU "muss sich von einigen überflüssigen Bestimmungen trennen, sie muss die Bürokratie verringern und ein globales Europa fördern, ein Europa, das weltoffen und wettbewerbsfähig ist". Im Folgenden kam Blair auf den Kernpunkt zu sprechen: Die EU darf nicht mit den USA konkurrieren, im Gegenteil, es sollte "ein aktiver Faktor in der Außenpolitik sein", ein "guter Partner" der USA zu sein.

Das von Blair vorgeschlagene Modell ist das, welches in Großbritannien in Kraft ist. Die Löhne sind dort ziemlich niedrig. Über ein Drittel der Haushalte fallen in die Kategorie derjenigen, die nicht von ihrem Lohn leben können, obwohl sie einen Job haben und arbeiten. Das bedeutet, dass sie arm sind. Dieses Land hat die längsten Arbeitszeiten in Europa. Dort sind über 25% der Kinder in die Kategorie arm einzuordnen, was der höchste Prozentsatz für entwickelte Länder ist. Aber es ist eines der Länder Europas, wo die Gewerbesteuern am niedrigsten sind und die indirekten Steuern trotzdem am höchsten.

Im kontinentalen Europa ist man nicht aufgrund des sozialen Modells, welches Blair vorgeschlagen hat, gegen ihn. Mit den neoli-beralen Angriffen, die in Deutschland und Frankreich auf der Tagesordnung sind, soll der Neoliberalismus umgesetzt werden, der in Großbritannien schon seit 1980 praktiziert wird. Die kontinentalen Länder Europas imitieren Großbritannien diesbezüglich fast. Ihre Hauptdifferenz liegt im Bereich der Außen-politik. Deutschland und Frankreich sind für die Entwicklung der EU als politische Integration und die Entwicklung einer gemeinsamen Außenpolitik, um mit den USA konkurrieren zu können. Blair steht für genau das Gegenteil: Er will, dass die EU ein "aktiver Partner" der Außenpolitik der USA wird.

Mit anderen Worten, Blair bereitet die Bedingungen für eine Debatte über die Zukunft der EU vor. Die Entwicklungen und die Haltung der Mitgliedsstaaten zeigen, dass es an der Zeit ist, eine konkrete Antwort auf die Frage "Was für eine EU wollen wir?" zu geben. Wir sind bereits auf einige Gründe der aktuellen politischen Krise eingegangen. Fast alle diese Gründe hängen mit der Zukunft der EU zusammen und deshalb hat die Krise ihren Ursprung in den Meinungen über die Zukunft der EU. In Folge dieser Meinungen über ihre Zukunft wurde die EU in zwei gespalten:

- Auf der einen Seite stehen die Länder, die wollen, dass die EU eine ökonomische Integration bleibt (in erster Linie Großbritan-nien).

- Auf der anderen Seite wiederum stehen die Länder, die wollen, dass die EU sich zu einer politischen Union entwickelt (in erster Linie das Duo Deutschland-Frankreich).

Das britische Monopolkapital erklärt mittels der Worte von Blair, was für eine EU es haben will: Die EU muss eine wirtschaftliche Union bleiben, als Partner der USA. T. Blair hat in diesem Punkt die unmittelbare Unterstüt-zung des US-Imperialismus.

Das Duo Deutschland-Frankreich steht für die Entwicklung der EU als politische Union. Das deutsche und das französische Monopol-kapital wissen nur allzu gut, dass sie nicht in der Lage sind, allein für die Welthegemonie zu kämpfen, dass sie die Neuaufteilung der Welt nicht auf eigene Faust einfordern können und dass sie ihr politisches, ökonomisches und militärisches Potential vereinigen müssen. Aus all diesen Gründen verlangen sie die Bildung einer politischen Union, denn ihre Relevanz für die Umsetzung der Beschlüsse ist entscheidend.

So wie sie ihre ökonomischen und finanziellen Krisen bis heute gelöst hat, kann die EU auch ihre aktuelle Finanzkrise lösen. Aber ihre politische Krise, die im Zusammen-hang mit der Verfassung auf die Tagesordnung kam und die sich direkt auf die Zukunft der EU auswirkt, kann sie nicht so einfach lösen. Diese Krise rührt von den Meinungen über die Zukunft der EU her, von der Frage "Was für eine EU". Es gibt zwei Wege, um diese Krise zu überwinden:

Die EU-Länder

-können entweder nach der Meinung Großbritanniens handeln und indessen die Unterstützung der USA erhalten und auf diese Weise beschließen, dass die EU eine ökonomi-sche Integration bleibt,

-oder sie verhalten sich nach der Meinung von Deutschland und Frankreich und unternehmen Schritte zur Umwandlung der EU in eine politische Union.

In jedem Fall wird sich die Entwicklung der EU nach dieser Krise von ihrer Entwicklung bis heute unterscheiden. Denn als ökonomi-sche Integration hat die EU die Grenzen ihrer Entwicklung erreicht. Aus diesem Grund verfügt die EU nicht mehr über sehr viele Möglichkeiten, sich als ökonomische Union zu erneuern. Die Entwicklung von jetzt an heißt, über ihre aktuellen Grenzen hinauszutreten. Sie kann sich nur erneuern, indem sie Schritte zur Erlangung der politischen Union unter-nimmt.

Zusammenfassend:

Die Entwicklungen im Rahmen der EU zeigen, dass die Sache ernst wird. Es ist deutlich, dass die EU, die im Rahmen der momentanen Integration bisher in der Lage war, ihre Probleme zu lösen und sich auszuweiten, an einem Scheideweg angelangt ist: Entweder unternimmt sie Schritte, um die politische Integration zu erlangen oder die EU bleibt eine rein ökonomische Integration.

Politische Integration im Kapitalismus bedeutet, dass diejenigen, die sich zusammentun wollen, ihre nationale Besonderheiten und ihre nationalen Interessen zwangsläufig aufgeben und sich auf der Grundlage so genannter "gemeinsamer Werte" vereinigen.

In einer derartigen Vereinigung sind die "gemeinsamen Werte" die Werte des Stärkeren.

Es ist klar ersichtlich, dass die EU in einen Prozess eingetreten ist, der sie mit ihrer eigenen Realität konfrontiert.

Ist die EU eine politische Union oder ist es möglich, die "Vereinten Staaten von Europa" zu gründen?

Um diese Frage beantworten zu können, muss festgestellt werden, um wessen EU es sich handelt und welcher Zweck mit ihr ver-folgt wird.

Die EU ist allen voran die EU der Monopole: Was die Bourgeoisie unter Freiheit versteht, ist die Freiheit des Kapitals (Wertpapiere einbegriffen). Die EU wurde also geschaffen, um die freie Bewegung des Kapitals, der Monopole und ihr Wachstum zu gewährleisten und ihre Expansion bedeutet Wachstum und Expansion des Kapitals, der Monopole. Die Rede ist hier nicht etwa von EU-eigenen Monopolen und Kapital, die nicht mehr national wären. EU heißt Freiheit für das Kapital und die Monopole der Mitglieds- länder. In diesem Sinne ist die EU die EU des Kapitals und der Monopole der EU-Mitglieder.

Den Angaben des Jahres 1999 zufolge gibt es unter den 200 größten Monopolen der Welt 68 Monopole, die ihren Hauptsitz in der EU haben. Zusammen mit den Schweizer Monopolen steigt ihre Zahl auf 74. Keines von ihnen ist ein EU-Monopol; keines von ihnen hat die Eigenschaft, ein EU-Monopol zu sein. Es sind nationale Monopole, die ihren Hauptsitz in der EU oder der Schweiz haben. Ihr Name verrät schon alles: Es sind 22 deutsche, 17 französische, 10 britische, 6 niederländische, 6 italienische, 3 spanische Monopole und jeweils ein luxemburgisches und ein schwedisches Monopol. Und die EU ist die EU dieser Monopole. In diesem Rahmen ist die EU Freiheit für das nationale Kapital und die Monopole auf der Grundlage der Mitgliederstaaten.

EU heißt freie Warenzirkulation: Für die Gewährleistung der freien Warenzirkulation müssen Grenzen und Zölle abgebaut werden. Hauptsächlich ist hier die Rede von der freien Zirkulation der Monopolprodukte. Aus diesem Grund ist die EU eine Integration, die die freie Warenzirkulation der Monopolpro-dukte garantiert. Aus diesem Grund heißt EU nichts anderes als Warenzirkulation für die internationalen Monopole, für das Monopol-kapital.

EU bedeutet freier Verkehr von Dienstleistungen: Hier geht es um die Beseitigung nationaler Grenzen oder Beschränkungen und die Gewährleistung freier Bank- und Versicherungsaktivitäten der Monopole in diesem Bereich. Aus diesem Grund ist die EU die EU der Monopolbanken, der großen Banken und Versicherungsfonds.

EU bedeutet "freier" Verkehr von Personen: Der EU zufolge können die EU-Bürger sich ohne Pass frei innerhalb der EU-Länder bewegen. Aber wenn es bei einigen Demonstratio-nen darum geht, die Grenzen zu überqueren, sehen wir, dass das nicht immer so ist. Es ist eine Tatsache, dass die Reisefreiheit außer Kraft gesetzt wird, um die freie Bewegung der Demonstranten zu verhindern.

Was die EU unter Reisefreiheit versteht, ist die Einwanderung billiger Arbeitskräfte aus anderen Ländern, womit Immigration aus Ländern, in denen Arbeitskraft billig ist, in die Länder, in denen Arbeitskraft "teuer" ist, gemeint ist. In diesem Sinne bedeutet EU freier Verkehr von billiger Arbeitskraft.

Im Kommunistischen Manifest sagten Marx und Engels: "Was unter Freiheit- im Rahmen der existierenden Produktionsverhältnisse- zu verstehen ist, ist der freie Handel, der freie Kauf und Verkauf". EU bedeutet nichts anderes als diese Freiheit für das Monopolka-pital.

Es besteht kein Zweifel, dass so eine EU nicht die EU der Arbeiter- und werktätigen Massen sein kann. Die heutige EU kann nur die EU des Monopolkapitals, der monopolistischen Bourgeoisie sein. In diesem Sinne ist es für beide Klassen möglich, die "Vereinigten Staaten von Europa" zu gründen. Die Diskus-sionen darüber sind nicht neu. Aber um das Thema im Rahmen der "Vereinigten Staaten von Europa" zu diskutieren und eine richtige Auswertung machen zu können, darf die Tatsache nicht vergessen werden, dass die heutige EU immer noch eine ökonomische Integration ist.

Die Bourgeoisie wird es sich nicht nehmen lassen, die "Vereinigten Staaten von Europa" zu bilden, wenn es ihren Interessen entspricht. Genau so schuf sie 1957 mit der Europäischen Gemeinschaft das Fundament für die heutige EU, weil sie der Meinung war, es diene ihren Interessen. Die Geschichte der EU hat bewiesen, dass solch eine ökonomische Integration, wie sie heute besteht, durch das Zusammenkommen der daran interessierten Länder erreicht werden kann. Eine solche ökonomische Integration hat keinen dauerhaften Charakter. Aber ihre Mitglieder können sie erweitern, können das Leben einer solchen Integration verlängern, wenn es ihren Interessen entspricht, aber es ist unmöglich für sie, sich als politische Union zu entwickeln; einen vereinigten Staat unter "friedlichen" Bedingungen zu schaffen.

Wie Lenin in seinem Artikel "Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa" betonte: "Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäi-schen Kapitalisten" (Lenin, Bd. 21, S. 345)

Lenin erklärte die Ursachen der Gründung eines solchen Staates zu jener Zeit wie folgt: "(...) worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam den Sozialismus in Europa unterdrücken, gemeinsam die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte, die durch die jetzige Aufteilung der Kolonien im höchsten Grade benachteiligt und die im letzten halben Jahrhundert unvergleichlich rascher erstarkt sind als das rückständige, monarchistische, von Altersfäule befallene Europa. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet Europa im ganzen genommen ökonomischen Stillstand. Auf der heutigen ökonomischen Basis, d.h. unter kapitalistischen Verhältnissen, würden die Vereinigten Staaten von Europa die Organisation der Reaktion zur Hemmung der rascheren Entwicklung Amerikas bedeuten." (Lenin; ebenda)

Heute haben sich die Gründe für die Bildung eines solchen Staates geändert: Deutschland und Frankreich, die für die Entwicklung der EU als eine politische Integration stehen, wollen dies nicht um "gemeinsam den Sozialismus in Europa zu unterdrücken". Die objektiven Gründe für so einen Hang existieren momentan nicht. Aber sie denken, dass sie "bei der jetzigen Aufteilung der Kolonien benachteiligt wurden" und wollen "erbeutete Kolonien gegen Amerika gemeinsam schützen"; so wollen sie also die Entwicklung der EU als politische Integration, um die Welt mit dem US-Imperialismus und den anderen Hegemonie-kräften neu aufzuteilen, um in der Konkurrenz stärker zu sein, um auf dem Weltmarkt den größten Anteil zu bekommen.

Ist so eine Entwicklung unter friedlichen Bedingungen möglich? Können die anderen Mitglieder der EU die Interessen des Duos Deutschland-Frankreich akzeptieren und auf ihre eigene, nationale Identität verzichten? Noch wichtiger; kann das Duo (Deutschland und Frankreich) friedlich miteinander verschmelzen? Das heißt, dass das deutsche und französische Kapital ihre Identität als deutsches und französisches Kapital aufgeben und zu einem Kapital werden, das eine bestimmte Integrität, einen bestimmten Willen vertritt. Auf jeden Fall ist es unvermeidbar, bei der Bildung der EU als politische Union Gewalt anzuwenden. In seinem bereits genannten Artikel sagte Lenin zu diesem Thema:

"Vereinigte Staaten von Europa sind unter kapitalistischen Verhältnissen gleichbedeutend mit dem Übereinkommen über die Teilung der Kolonien. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist jedoch jede andere Basis, jedes andere Prinzip der Teilung als das der Macht unmöglich. ... Kapitalismus bedeutet Privateigentum an den Produktionsmitteln und Anarchie der Produktion. Auf solcher Basis eine "gerechte" Verteilung des Einkommens zu predigen ist Proudhonismus, ist kleinbürgerlicher, philiströser Stumpfsinn.

Es kann nicht anders geteilt werden als "entsprechend der Macht". Die Machtverhält-nisse ändern sich aber mit dem Gang der ökonomischen Entwicklung' Um die tatsächliche Macht eines kapitalistischen Staates zu prüfen, gibt es kein anderes Mittel und kann es kein anderes Mittel geben als den Krieg. Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar. Unter dem Kapitalismus ist ein gleichmäßiges Wachstum in der ökonomischen Entwicklung einzelner Wirtschaften und einzelner Staaten unmöglich. Unter dem Kapitalismus gibt es keine anderen Mittel, das gestörte Gleichge-wicht von Zeit zu Zeit wieder herzustellen, als Krisen in der Industrie und Kriege in der Politik". (Lenin, Bd. 21, S. 344/345)

Die EU garantiert nicht, dass sich das Kräftegleichgewicht zwischen ihren Mitglie-derstaaten verändern wird. Sie hat weder so ein Ziel noch wäre das möglich. Ungleiche Entwicklung ist unter kapitalistischen Bedingungen die Grundlage und das unvermeidbare Resultat der ungleichen Entwick-lung ist, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen den kapitalistischen Ländern fortwährend verändert. In diesem Sinne kann sich das Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Ländern der EU von heute bereits morgen ändern und es wird keinen anderen Weg als Gewalt geben, um ein neues Gleichgewicht herzustellen.

Kurz gesagt, damit die EU zu einem politi-schen Willen wird und sich in die "Vereinigten Staaten von Europa" verwandelt, müssten Deutschland und Frankreich zuerst Gewalt gegen die anderen Mitglieder anwenden und dann gegeneinander. Dies ist eine Tatsache.

Oder, wie Lenin sagt: "Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialis-mus, d.h. des Kapitalexports und der Auftei-lung der Welt durch die "fortgeschrittenen" und "zivilisierten" Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär." (S. 343)

Die tatsächliche, objektive Situation ist folgendermaßen:

Die EU expandiert und wird als ökonomi-sche Integration stärker, aber das Kapital innerhalb der EU bleibt national.

Seit ihrer Gründung gab es nie auch nur ein einziges europäisches Monopol. Sie hat eine Verfassung, obwohl sie noch nicht von all ihren Mitgliedern angenommen wurde. Sie hat gesetzliche Bestimmungen für fast jeden Bereich. Fast jedes Hindernis für die freie Bewegung des Kapitals wurde aus dem Weg geräumt. Die inneren Grenzen wurden abgebaut. Somit sind viele Dinge, über die vorher der Nationalstaat verfügt hat, heute auf Brüssel übergegangen. Die Kapitale und die Monopole sind jedoch immer noch national. Die Kapitale und Monopole gehören zu ihren jeweiligen Ländern und haben ihre nationale Eigenschaft noch nicht verloren, um zu EU-Kapitalen und EU-Monopolen zu verschmelzen. Aus diesem Grund ist die EU eine Vereinigung, ein ökonomisches Integrations-modell, wo die Grundkapitale/Monopole national bleiben.

Aufgrund dieser Besonderheit der EU stehen ihre Strategen und Geopolitiker vor einer wichtigen Frage. Diese Frage rührt her von den Überbau-Basis-Verhältnissen; von der ökonomischen Basis und dieser Basis entsprechenden unterschiedlichen politischen Überbau-Staaten. Zwischen Basis und Überbau gibt es einen dialektischen Zusammen-hang. Dem zufolge: Damit es einen EU-Überbau, einen EU-Staat geben kann, muss ein EU-Kapital, eine ökonomische EU-Basis vorhanden sein. Das heißt, dass die EU-Basis gezwungen ist, einen ihr entsprechenden EU-Überbau zu entwickeln. Das ist das, was nicht vorhanden ist. Im ganzen EU-Überbau, in den EU-Institutionen, so wie sie bestehen, gibt es eine erbarmungslose Konkurrenz für nationale Staatsinteressen. In dieser Konkurrenz setzt sich der Stärkste durch. Aus diesem Grund befindet sich die EU in einer Integrationssitua-tion, in der hauptsächlich für die nationalen Staatsinteressen und für die nationalen Kapital-/Monopolinteressen eine heftige Kon-kurrenz geführt wird und sie nur durch Kompromisse ihre Existenz bewahrt.

Die EU ist ein Integrationsprozess, der sich seit ihrer Gründung als Europäische Gemein-schaft entwickelt. Ihre aktuelle Situation zeigt das Entwicklungsstadium, das sie erreicht hat. Diese ihre Situation zeigt, dass die "Vereinigten Staaten von Europa" auf der Grundlage kapitalistischer Beziehungen nur mit dem Einsatz von Gewalt und durch Krieg errichtet werden können. Keines der EU-Länder würde die "Vereinigten Staaten von Europa" gerne unter der Hegemonie Frankreichs oder Deutsch-lands gründen, also französisch oder deutsch werden.

Wir sollten erwarten, dass Frankreich deutsch wird oder Deutschland französisch, damit die EU auf der Grundlage des Duos Frankreich-Deutschland zu den "Vereinigten Staaten von Europa" wird. Und dies kann nur durch den Einsatz von Gewalt möglich werden, was eine direkte Folge der ungleichen Entwicklung im Kapitalismus ist.

Alle Möglichkeiten und die Realität des Kapitalismus weisen darauf hin, dass der kürzeste Weg zur Verwandlung der EU in die "Vereinigten Staaten von Europa" Krieg ist.

Die Zeitspanne von ihrer Gründung bis heute zeigt, wie realitätsfremd die Meinung über das Vorwärtsschreiten der EU zu einer politischen Integration ist.

Die Erwartungen, die von der bisherigen Entwicklung der EU abhängen und von Reformisten und Liberalen verbreitet werden, sind ebenfalls Illusionen. Es ist sinnvoll, diesen Punkt zu klären:

"Ultraimperialismus" (Kautsky):

"(...) ob es nicht möglich sei, dass die jetzige imperialistische Politik durch eine neue, ultraimperialistische verdrängt werde, die an Stelle des Kampfes der nationalen Finanzkapitale untereinander die gemeinsame Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital setzte. Eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar. Ob auch realisierbar, das zu entscheiden fehlen noch die genügenden Voraussetzungen." (bei: Lenin, Bd. 22, S. 299)

Lenin:

"Denn unter dem Kapitalismus ist für die Aufteilung der Interessen- und Einflusssphä-ren, der Kolonien usw. eine andere Grundlage als die Stärke der daran Beteiligten, ihre allgemeinwirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Stärke, nicht denkbar. Die Stärke der Beteiligten aber ändert sich ungleichmäßig, denn eine gleichmäßige Entwicklung der einzelnen Unternehmungen. Trusts, Indus- triezweige und Länder kann es unter dem Kapitalismus nicht geben'

"Interimperialistische" oder "ultraimperia-listische" Bündnisse sind daher in der kapita-listischen Wirklichkeit, und nicht in der banalen Spießerphantasie 'des deutschen "Marxisten" Kautsky, notwendigerweise nur "Atempausen" zwischen Kriegen - gleichviel, in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden, ob in der Form einer imperialistischen Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in der Form eines allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbe-ziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik." (Lenin, "Der Imperialismus'", Bd. 22, S. 299-301).

Kautsky zufolge, "eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar". Danach fährt er wie folgt fort: "Ob auch realisierbar, das zu entscheiden fehlen noch die genügenden Voraussetzungen."

Dies trat nicht ein: der "Ultraimperialismus" war nicht in der Lage, die "gemeinsame Ausbeutung der Welt" zu organisieren mit seinem "international verbündeten Finanzka-pital". Das Gegenteil davon trat ein, so wie Lenin es vorher gesagt hatte; ungleiche Entwicklung und Konkurrenz führten zu Krieg.

Und heute wird die EU im Rahmen von Erwartungen á la Kautsky als Gegenpol zum "aggressiven US-Imperialismus", dem US-Militarismus betrachtet. Aber die EU entwickelt sich nicht á la Kautsky, es geht nicht in die Richtung, die er vorhersah. Konkurrenz und ungleiche Entwicklung unterhöhlen die momentane Integration.

Zusammenfassend:

Der US-Imperialismus agiert auf der Grundlage "nationaler" Interessen und entwickelt Geopolitik für diese Interessen.

Im Gegensatz dazu gibt es keinen EU-Imperialismus; aber es gibt die imperialisti-schen Länder der EU; es gibt die "nationalen" Interessen, die im Rahmen der EU-Integration miteinander konkurrieren.

Das ist der Unterschied, der zwischen ihnen besteht.

Die Beziehung zwischen der Türkei und der EU oder unter welchen Bedingungen die Türkei Mitglied der EU werden kann und unter welchen nicht

Über die Frage der Türkei-Mitgliedschaft in der EU hat die EU sich in zwei gespalten: In die, die für die Vollmitgliedschaft der Türkei sind und jene, die dafür eintreten, dass sie ein "privilegierter Partner" wird. Die grundlegen-de Haltung derjenigen, die ihre Mitgliedschaft unterstützen, wurde von dem damaligen deutschen Außenminister Fischer sehr deutlich formuliert:

Die EU muss eine gewisse oder unverzichtbare Größe erreichen, um die "verantwort-liche" Supermacht des Weltsystems zu sein. Die Türkei steht vor der Aufgabe, der EU dabei behilflich zu sein, eine solche Macht zu werden. Der damalige Außenminister Deutsch-lands, Fischer, erklärt, warum die Türkei Mitglied der EU werden muss:

"(') Die Einheit Europas hat eine strategi-sche Dimension. Hierbei ist eine Türkei, die den europäischen Standards entspricht, ebenso wichtig wie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU". (J. Fischer, "Berliner Zeitung", 28.02.2004)

Fischer fährt folgendermaßen fort: "Wir müssen die Globalisierung politisch gestalten. Die asymmetrischen Konflikte zu kontrollieren und sie, soweit es möglich ist, zu lösen, ist nur dann möglich, wenn wir in kontinentalem Maßstab handeln. Russland, Indien und natürlich die USA haben die nötige Größe. Das Problem für uns, die Europäer, ist: Können wir uns soweit vereinigen, dass wir ein bestimmendes Gewicht haben? Die Diskussion über die Türkei müssen wir mit dieser Perspektive betrachten".

Die Interessen des deutschen Imperialis-mus berücksichtigend spricht Fischer über die "strategische Dimension", die die EU haben sollte. Er sagt, dass die EU oder Europa in "kontinentalem Maßstab" handeln sollte, um Politik auf Weltebene machen zu können. Er sagt, dass Europa die gleiche Größe wie die USA haben muss.

Dem ehemaligen deutschen Außenminis-ter nach sollte die EU nicht die sein, die der Globalisierung "unterworfen" ist, sondern muss im Gegenteil die Kraft sein, die die "Globalisierung gestalte". Auf diese Weise drückt Fischer das Problem aus, vor dem die EU steht: Die Neuaufteilung der Welt, die Eroberung des größten Anteils an den Weltmärkten und Konkurrenz gegen den stärksten Widersacher.

Fischer zufolge muss die Türkei der EU helfen, eine solche Macht zu sein und ihren "strategischen Prozess" umzusetzen. Und sie verlangen gar nicht so viel von der Türkei! Sie wollen lediglich, dass sie ihre strategische Lage dem möglichen geopolitischen Aspekt der EU unterwirft; diejenigen, die "kontinent-umfassende" Akteure sein wollen, sagen: Die Türkei liegt wie eine Brücke zwischen Europa und verschiedenen "Konfliktobjekten"; das heißt, dass die Türkei sich im Zentrum des Dreiecks, bestehend aus dem Balkan, dem Mittleren Osten und dem Kaukasus, befindet. Die Türkei ist eine "Brücke" zwischen Europa und der "islamischen Welt".

Die EU will sich über die Türkei einen Zugang zum Mittleren Osten, dem Kaukasus und in die Tiefe von Zentralasien verschaffen. Sie will diese Regionen, die so bedeutend sind, und derer wegen Krieg zu führen ist, ausplündern und beherrschen zu können, nicht ihren Konkurrenten wie den USA, Russland und China überlassen. Aus diesem Grund erklärt sie, die Türkei sei ein "Modellland" für die Länder des Mittleren Ostens.

Die Bedeutung dieses Konzeptes ist folgende: Die EU will sich in die lokalen "ethnischen Probleme" und "Konfliktobjekte" in dem genannten Dreieck einmischen, um mit dem US-Imperialismus um die Welthegemonie zu konkurrieren und, genau wie die USA es tun, will sie die strategische Lage, die der Region in dem Hegemoniekampf zukommt, nutzen und natürlich die Energieressourcen des Gebietes kontrollieren. Um dies alles tun zu können, will die EU die Türkei, die eine gewisse regionale Größe darstellt, benutzen, indem sie sie zum Mitglied macht.

Nun zu denen, die sagen, die Türkei müsste nur ein "privilegierter Partner" werden. Dieser Teil, der hauptsächlich von den konservativen Parteien vertreten wird, will auch die gleiche EU. Aber sie betonen, dass man vorsichtiger damit sein muss, der Türkei eine Rolle in dem Prozess der Formierung einer solchen EU zuzuerkennen.

Wir können ihre Bedenken folgendermaßen zusammenfassen:

sDie Türkei könnte die Grenzen der Integrationskapazität Europas sprengen.

sSie ist ziemlich groß. (Stoiber)

sSie ist zu willkürlich, als dass sie ein Werkzeug der unilateralen EU-Strategien sein könnte. Das heißt, sie könnte auf eigene Faust handeln und es wäre nicht möglich, sie zu kontrollieren. (Stoiber)

sSie könnte das momentane Kräfteverhält-nis auf den Kopf stellen. (Stoiber)

sSie könnte ihre eigenen Positionen der europäischen Innen- und Außenpolitik aufdrängen. (Stoiber)

sSie könnte bei internen EU-Diskussionen und in Konkurrenzfragen mit anderen Ländern Bündnisse gegen Deutschland und Frankreich schmieden.

Sowohl diejenigen, die für die volle Mitgliedschaft der EU eintreten als auch die, die dagegen sind, sagen ganz deutlich: Wer in der Weltpolitik Einfluss haben will, muss über geopolitische Aspekte verfügen, strategisch handeln und in der Lage sein, die Kräfte, die es ins Schlepptau genommen hat, in Bewegung zu setzen. Das bedeutet für die EU oder Europa folgendes:

Die EU muss so stark wie die USA sein; sie muss stärker als alle anderen Staaten sein; sie muss die Macht und Fähigkeit haben, alle internationalen Beziehungen einseitig zu gestalten.

Heutzutage wird die Welt von den USA neu aufgeteilt. Die USA sind als die Hegemoniemacht in einer bestimmenden Position. Daraus schlussfolgern die EU-Strategen folgendes: Wir müssen mindestens so stark wie die USA sein, um sie unsere Existenz spüren zu lassen und ihr zu verstehen zu geben, dass wir eine Macht sind, die bei der Neuaufteilung der Welt mit in Betracht gezogen werden muss.

Auf der Grundlage dieser Meinungen betrachtet die EU die Mitgliedschaft der Türkei. Aus diesem Grund kommt der Türkei, nach dem damaligen deutschen Außenminis-ter Fischer, die Aufgabe zu, Europa zu helfen, eine "kontinentale Dimension im Staatensys-tem des 21. Jahrhunderts" einzunehmen, die es heute noch nicht hat. Der Türkei wird die Schlüsselrolle gegeben, in dem erwähnten Dreieck die Interessen der EU umzusetzen.

Die Angst vor einem Trojanischen Pferd

Die Angst von Frankreich und Deutschland konzentriert sich darauf, ob es eine Gefahr für sie darstellen würde, die Türkei in die EU aufzunehmen, die sie nach ihren Interessen führen; ob die Türkei der verlängerte Arm der USA innerhalb der EU wäre oder nicht.

Der CSU-Chef Stoiber, einer der Hauptverfechter, der Türkei den Status der "privilegierten Partnerschaft" zu geben, sagt, dass eine Vollmitgliedschaft der Türkei die Vision von Europa zerstören würde und Europa dadurch zu einer Freihandelszone ohne politischen Einfluss werden würde.

Diejenigen, die für die "privilegierte Partnerschaft" der Türkei eintreten (Merkel, Schäuble, Stoiber in Deutschland und diejenigen in Europa, die die gleiche politische Haltung wie diese konservativen Parteien einnehmen), sind unsicher, ob die EU im Falle einer Mitgliedschaft der Türkei den USA gegenüber stärker werden würde oder nicht, ob die Türkei innerhalb der EU die Rolle eines trojanischen Pferdes der USA spielen würde oder nicht und ob die USA versuchen würden, ihre strategischen Ziele innerhalb der EU über die Türkei durchzusetzen oder nicht.

Aus diesem Grund stehen diejenigen, die die "privilegierte Partnerschaft" unterstützen, für die Stärkung der französisch-deutschen Führung, die sich auf das ganz übrige Europa erstreckt, anstatt für eine EU, die auch die Türkei mit einschließt.

Seit den ersten Verhandlungen im Jahre 1963 wartet die türkische Bourgeoisie vor den Pforten; damals an der Pforte zur Europäischen Gemeinschaft, dann der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und heute der EU. Sie wird des Wartens nicht müde und befindet sich seit 40 Jahren im Wartesaal, und störte sich nicht daran, bis zum Helsinki-Gipfel im Dezember 1999 zu warten. Die türkische Bourgeoisie, die verlauten ließ, dass sie die Beziehungen noch einmal überdenken würde, falls der Helsinki-Gipfel ihr kein Ergebnis bringt, krakeelte und war gekränkt, als sie erneut mit der Hinhalte-Taktik konfrontiert wurde. Die EU hat verstanden, dass der türkischen Bourgeoisie in Helsinki die Geduld ausgegangen ist. Sie bekam Angst, die Türkei ganz zu verlieren und rettete die Situation, in dem sie zwei hochrangige Vertreter (Solana und Verheugen) um Mitternacht nach Ankara schickte. Infolge dessen öffnete der Helsinki-Gipfel den Weg für Schritte, die den EU-Türkei-Beziehungen eine neue Qualität geben können. Nur so wurde der Türkei der Weg zu einem EU-Beitritt geöffnet. In dem "Forschrittsbericht" wurde die Türkei zum "demokratischen" Land mit einigen Mängeln erklärt. Auf diese Weise wurde die faschisti-sche Diktatur von der "demokratischen" EU entlastet.

Der "Fortschrittsbericht", der sich als "Empfehlung" versteht, wurde auf dem EU-Gipfel angenommen, der am 17. Dezember stattfand, und man gab der Türkei den 3. Oktober 2005 als Beginn der Verhandlungen an.

Es wurde oft erklärt, dass die volle EU-Mitgliedschaft der Türkei, selbst wenn alles glatt geht, nicht vor 2014 eintreten wird.

Die türkische Bourgeoisie hat alle Kriterien erfüllt, die die EU aufgestellt hat. Auf diese Art hat die EU erklärt, die Türkei könnte, so wie sie jetzt ist, Mitglied werden: Und auf diese Weise schloss die EU, obwohl sie besonders die Demokratiefragen betonte, die Folter und Blutbäder in der Türkei auf einmal aus der Staatspolitik aus und übersah die Lynchversuche in der jüngsten Zeit; nach Meinung der EU hat die Diktatur die Hindernisse vor Rede- und Meinungsfreiheit aufgehoben und die kolonialistische faschisti-sche Diktatur hat auch für die Lösung der Kurdenfrage die notwendigen Schritte unternommen und die Frage bestünde nun nur in der Aufhebung bestimmter Störungen bei der Umsetzung. Hiermit hat die EU bewiesen, dass sich ihre Haltung zur Kurdenfrage in keiner Weise von der des kolonialistischen faschistischen Regimes unterscheidet. So verfolgt sie auch die gleiche Vorgehensweise der Verbote wie die faschistische Diktatur, z. B. wurde in Deutschland die Tageszeitung Özgür Politika verboten, die die Stimme der kurdi-schen Patrioten ist, und ihr gesamtes Inventar beschlagnahmt. Es ist vollkommen klar, dass die Fortsetzung des kolonialen Status von Kurdistan auch den Interessen der imperialistischen Länder der EU entspricht.

Die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen in unserem Land haben von der EU nichts zu erwarten. Die Erwartungen an die EU-Mitgliedschaft, dass sie Demokratie bringen wird und dass die kurdische Nation einige nationale Rechte bekommen wird, können nur Träume bleiben. Wenn die EU in Bezug auf die Rechte der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen demokratisch wäre, dann würden diese Rechte in den jetzigen EU-Ländern nicht abgebaut werden. Wenn wir die Angriffe gegen die ökonomischen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen, die sie im Kampf errungen haben, die Vernichtung der sozialen Systeme wie Rente und Gesundheitsversorgung; die reaktionären, faschistischen Gesetze, die unter dem Vorwand des "Terrorismus" verabschiedet werden, die Provokation des Rassismus und Chauvinismus, die Tatsache, dass sie faschistischen Parteien den Weg ebnen, betrachten, die ein direkter Ausdruck der neoliberalen Angriffe der EU-Länder sind, insbesondere in den imperialistischen Ländern wie Deutsch-land, Frankreich und England, können wir verstehen, dass es die reinste Dummheit oder ein Versuch der Irreführung der Arbeiterklasse, der werktätigen Massen und der kurdischen Nation unseres Landes ist, zu hoffen und anzunehmen, dass so eine EU der Türkei Demokratie und Wohlstand bringen wird.

Es ist nicht unsere Pflicht, mit solchen Erwartungen hoffnungsvoll auf die EU-Mitgliedschaft zu blicken, sondern gegen sie zu kämpfen. Die herrschenden Klassen, die ihre Zukunft an das Bündnis mit dieser oder jener imperialistischen Macht knüpfen, ver-breiten weiterhin pro-amerikanische oder pro-europäische Illusionen mittels einiger Reformisten, die sie ins Schlepptau genommen haben, und gekauften Schreiberlingen. Der Kampf gegen den Imperialismus und seine einheimischen Kollaborateure muss auch als Kampf gegen diese leeren Hoffnungen aufgefasst werden.

Im Gegensatz zu den von den Reformisten, der Regierung und der kapitalistischen Klasse, die bei der Frage der EU-Mitgliedschaft alle auf der gleichen Seite stehen, verbreiteten Erwartungen, führt die Befreiung nicht über die EU. Eine EU-Mitgliedschaft wird der Türkei keine Demokratie, Beschäftigung und keinen Wohlstand bringen. Nationale und gesellschaftliche Befreiung kann in der Türkei und Nordkurdistan nur durch die Revolution erlangt werden. Deswegen liegt die Befreiung nicht in der EU, sondern in der Revolution.

Die Erfüllung der politischen Kriterien von Kopenhagen, die Erfüllung dieser politischen Kriterien der EU-Imperialisten, haben nichts damit zu tun, ob die Türkei EU-Mitglied wird oder nicht. Das ist nur ein Ablenkungsma-növer.

Der Türkei wurde zwar ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen gegeben (3. Oktober 2005), aber das ist keine Garantie für eine Mitgliedschaft. Die EU hat verkündet, dass sie die Verhandlungen aus jedem beliebigen Grund abbrechen kann. Für die Aussetzung der Verhandlungen benutzt sie die Ablehnung der Verfassung in einigen Ländern und die Zypernfrage als Ausrede. Am 11. August 2005 schrieb die türkische Zeitung Sabah z. B. folgendes zu diesem Thema:

"Chirac, der Opportunist:

Die Türkei wurde wieder einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte in der EU, als der 3. Oktober, das Datum des Verhandlungs-beginns für die Mitgliedschaft, sich nähert. Erst sagte Dominique de Villepin, der Pre-mierminister Frankreichs, dass "man an ihre Mitgliedschaft nicht denken kann, wenn die Türkei eines der Mitglieder der EU nicht anerkennt". Nach ihm gab Jacques Chirac, Präsident Frankreichs, in einem Brief, den er an den griechischen Führer Papadopulos geschickt hatte, die Garantie, dass "man mit der Verhandlungen für eine Vollmitgliedschaft nicht anfangen wird, solange die Türkei die zypriotische Republik nicht anerkennt". Und Anders Fogh Rasmussen, der Premierminister Dänemarks, verteidigte, dass "es notwendig ist, die Vollmitgliedschaft der Türkei erneut zu diskutieren.

`Sie nutzen Zypern aus`

Wir haben Joost Lagendijk, Vorsitzender des Gemischten Parlamentausschusses (KPK) der EU-Türkei, während des Durcheinanders von Erklärungen über die Türkei in den zwei Tagen befragt. Lagendijk, der meinte, dass "es keine Umkehr vom Beschluss vom 17. Dezember gibt" und Chirac ein Opportunist sei, sagte der Zeitung SABAH folgendes: "Als der 17. Dezember-Beschluss gefasst wurde, waren alle Führer, deren Namen genannt sind, dort anwesend, auch Chirac war da. Jetzt versucht er, Gelegenheit zu ergreifen. Diese Haltung kann nicht akzeptiert werden. Die Türkeidiskussionen sind eine Entwicklung, deren Kommen zu erwarten war. Die Türkei-Gegner nutzen unsere Chancen aus. Das waren erst die Referenden, in denen die Verfassung abgelehnt wurde. Und jetzt nutzen sie die Anerkennung von Zypern aus. Balkenende, Hollands Premierminister und der damalige Ratsvorsitzende, sagte am 17. Dezember, dass es nicht der Anerkennung gleich komme, wenn man das Zusatzprotokoll unterschreibt. Leute von der internationalen Presse haben dies mehrmals gefragt. Balken-ende hat sehr deutlich wiederholt, dass das Zusatzprotokoll und die Anerkennung von Zypern zwei unterschiedliche Themen sind'"

Und tatsächlich hat es den Anschein, dass die Krise, die zwischen den EU-Ländern genau vor dem 3. Oktober aufgrund der Frage der EU-Mitgliedschaft der Türkei und der Verhandlungen für die Mitgliedschaft ausbrach, nachdem die österreichische Außenmi-nisterin Ursula Plassnik erklärt hatte "unser gemeinsames Ziel ist volle Mitgliedschaft", überwunden war. Sie erklärte dies, direkt nachdem die EU im letzten Moment verkündet hatte, dass sie die Beitrittsverhandlungen für eine volle Mitgliedschaft Kroatiens beginnen würde. Morgen können sie einen anderen Grund finden. Wichtig dabei ist für die führenden imperialistischen Länder der EU, genauer gesagt, Frankreich und Deutschland, die die EU anführen, wie reif die Türkei dafür werden kann, für die EU-Politik benutzt zu werden und wie distanziert sie sich von den USA verhalten wird.

Mit solchen Erklärungen lässt die EU durchblicken, dass sie noch einmal über die Mitgliedschaft der Türkei nachdenken werde, wenn die Türkei Schritte unternimmt, die den Interessen der EU in der regionalen und Weltpolitik entgegenstehen und wenn sie darauf besteht, sich auf die Seite des US-Imperialismus zu stellen.

Der bislang erzielte Fortschritt in den EU-Türkei-Beziehungen, dass ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen festgelegt wurde, zeigt auch die Dimensionen der Konkurrenz zwischen der EU und den USA um die Türkei und die Region. Die EU will eine Türkei, die vollkommen abhängig von der EU ist und wird den Verhandlungsprozess solange hinauszögern, bis die Türkei vollkommen von der EU abhängt. Und die USA werden ebenfalls ihr bestes tun, um so einen "Verbündeten" nicht zu verlieren. Der US-Imperialismus braucht ein weiteres trojani-sches Pferd in der EU, so wie England. Sie brauchen das, um die EU in der Weltpolitik zu schwächen, um zu verhindern, dass sie eine gemeinsame Außenpolitik entwickelt. Aus diesem Grund unterstützen sie die EU-Mitgliedschaft der Türkei. Die EU-Imperialis-ten kennen ebenfalls den Grund ganz genau, aus dem die USA die EU-Mitgliedschaft der Türkei unterstützen.

Ob die Türkei ein volles Mitglied der EU werden wird oder nicht, sowie Fortschritte in den EU-Türkei-Beziehungen insgesamt hängen von der Entwicklung der Konkurrenz zwischen der EU und den USA ab und auf welcher Seite die Türke in diesem Prozess stehen wird.

Das Mitgliedschaftsabenteuer der Türkei kann solange andauern, bis der Konkurrenz-kampf zwischen der EU und den USA seine letzte Stufe erreicht; bis zu einer gewissen Situation von Bündnissen und der Auflösung mitgenommener Organisationen von Verbün-deten wie der NATO, die im Rahmen des Kalten Krieges gebildet worden war. Es ist nicht schwer, Gründe zu finden, um die Beitrittsphase zu verlängern.

Sowohl die USA als auch die EU wissen, dass man bei den Bestrebungen, Einfluss in der Region zu haben, nicht über die Türkei hinwegsehen kann.

Die heutigen Beziehungen der EU und der USA mit der Türkei haben den Charakter, eine Beziehung zu sein mit einer Macht, die sie aufgrund ihrer Interessen nicht ausschließen können. Beide imperialistischen Konkurrenzzent-ren versuchen, diese Macht für sich selber zu gewinnen. Der Hegemoniekampf um die Türkei geht weiter. Aber sie wissen auch, dass die Türkei ein Land mit Möglichkeiten und Dynamiken und in ökonomischer Hinsicht eines der 20 stärksten Länder der Welt ist. Sie ist eine Macht, die über Stärke und mili-tärisches Potential verfügt; sie ist eine Macht, die danach strebt, imperialistisch zu sein und Schritte in diese Richtung unternimmt. So eine Macht könnte in der EU sämtliche Kräftever-hältnisse auf den Kopf stellen. Wie wir oben erläutert haben, besteht hierin der Grund für die Angst der führenden EU-Länder, insbesondere Deutschlands.

Was tun?

In den EU-Ländern greift die Bourgeoisie die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen mit ihrer neoliberalen Politik an, die manchmal mit unterschiedlichen Formen umgesetzt wird, aber immer den gleichen Inhalt hat; sie bauen die ökonomischen und sozialen Rechte ab, die im Kampf gewonnen worden sind und sie stellen den materiellen Reichtum der Länder dem Kapital zur Verfügung. Solche Angriffe, die fast in der gesamten EU auf der Tagesordnung stehen, machen es unvermeidbar und notwendig, einen gemeinsamen Widerstand gegen diese Angriffe zu orga-nisieren. Die materiellen Bedingungen, um ihren jeweiligen nationalen Kampf gemeinsam zu organisieren, bestehen für die Arbeiter-klasse und die werktätigen Massen der EU. Natürlich sprechen wir nicht von dem Konzept und der Organisation des Kampfes in Form des Europäischen Sozialforums. Genauso wenig sind wir für die "Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas", so wie die Trotzkisten es sind.

Das Europäische Sozialforum kämpft für die Wiederbelebung des "Sozialstaates" oder die Rückkehr zu der Zeit des "Sozialstaates", während die Trotzkisten darauf abzielen, mit dem Sozialforum oder derartigen sozialen Bewegungen ihre "antikapitalistische" Revolu-tion durchzuführen und die "Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa" zu errich-ten. Aber sie sagen nichts über den Weg, auf dem diese Revolution umgesetzt werden könnte.

Die dringende Aufgabe der Arbeiterklasse in den EU-Ländern ist nicht der Kampf für die "Vereinigten Staaten von Europa". Die Arbei-terklasse und die werktätigen Massen stehen vor der Aufgabe, gegen ihre eigenen Bour-geoisien zu kämpfen. Die national unorga-nisierte Arbeiterklasse ist vor den Verfechtern der EU, des "Sozialstaates" oder des "sozialen Europa" und vor den trotzkistischen Vertei-diger der "Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa" zur Niederlage verurteilt. Das einzige Kampfmittel, um gegen diese konterrevolutionären Kräfte zu kämpfen, ist die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen für die sozialistische Revolution zu organisieren, und das geht über die Organisierung der kommunistischen Kräfte in jedem einzelnen Land als politische Partei. Ohne dass diese Vorbe-dingung erfüllt ist, kann die Parole "die einzige Alternative ist der Sozialismus" nicht mehr sein als eine Agitationsparole.

Wir stehen in den EU-Ländern vor einer herzzerreißenden Situation in der Frage der Organisierung der Kommunisten, der Frage der Kommunistischen Partei. Man muss diese Wahrheit im Auge behaltend handeln. Aber man sollte das nicht so auffassen: "Was können wir schon tun, es gibt keine solche Partei, also können wir nichts tun." Das wäre eine andere Form des Aufgebens. Die kommunistischen Kräfte müssen überall und in jedem Bereich in den sozialen Bewegungen sein, sie müssen versuchen, die gesellschaftliche Opposition zu führen und zu revolutionieren. Sie müssen versuchen, gemeinsam mit fortschrittlichen, revolutionären Teilen zu handeln und sie für die sozialistische Revolution zu beeinflussen. Wenn sie auf diese Weise handeln, können sie Beziehungen mit der Arbeiterklasse und den werktätigen Massen entwickeln und haben dann ein Wort mitzureden.

Die absolute Aufgabe der Kommunisten in jedem Land ist, die Kräfte der Arbeiterklasse politisch und organisatorisch zu vereinigen. Nur nach der Erfüllung dieser Aufgabe können materielle Bedingungen dafür vorhanden sein, den Kampf EU-weit mit einer sozialisti-schen Perspektive zu führen.